Politik

Papst und Homosexualität – Wo hört Toleranz auf?

In Deutschland ist ein heftiger Streit um die für September 2011 geplante Papst-Rede entbrannt. Nicht nur politische Parteien sind sich darüber uneins, ob dem Pontifex diese Möglichkeit eingeräumt werden sollte – auch homosexuelle Organisationen sind diesbezüglich gegensätzlicher Meinung.

Die Grünen sagen nein zur Papst-Rede

Am Donnerstag, 16. Dezember 2010, wurde angekündigt, dass Papst Benedikt XVI. als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche Ende September 2011 und im Rahmen seiner Deutschland-Reise eine Rede vor dem Deutschen Parlament halten wird. Die Politik ist sich uneins darüber, ob dieses Vorhaben unterstützt werden soll. Vor allem die Grünen wehren sich vehement dagegen. Sie weisen darauf hin, dass der Bundestag „weltanschaulich neutral“ sei und die Gleichbehandlung der Religionen respektiert werden müsse. Spricht der Papst vor dem Parlament, müsste diese Möglichkeit konsequenterweise auch anderen Religionsführern eingeräumt werden. Der grüne  Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele will den Saal gar verlassen – wie er es auch schon bei den Besuchen von US-Päsident Bush oder dem damaligen russischen Präsidenten Putin gemacht hat – sobald der Pontifex vor die Politiker tritt. Dies deshalb, weil Joseph Ratzinger sich bis dato nicht für die Verbrechen der katholischen Kirche in Lateinamerika entschuldigt hat. Die Haltung der Grünen wird von der SPD, aber auch der CDU/CSU hart kritisiert und als „kleinkariert“ betrachtet.

LSVD gegen LSU

Ein ganz anderes Argumentatorium gegen den Papstbesuch liefert der LSVD, der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland. Er ist strikt dagegen, dass dem katholischen Kirchenführer eine Plattform für weitere homophobe Äusserungen gegeben wird. Seine Herabwürdigung von Homosexuellen und die Vorenthaltung rechtlicher Gleichstellung sei zudem ein Verstoss gegen die deutsche Verfassungsordnung. Weiter fordert der Sprecher der LSVD eine Entschuldigung für die „jahrhundertelangen Verbrechen“, die an Schwulen und Lesben in der Vergangenheit und im Namen der Kirche begangen wurden. Diese Position empfindet die LSU (Lesben und Schwule der Union, also der CDU/CSU) als „überzogen“ und „inakzeptabel“, wie deren Chef Alexander Vogt mitteilt. Der LSVD dürfe nicht Toleranz für seine Sache einfordern, wenn er sie gegenüber Andersdenkenden (und somit auch dem Papst) nicht walten lasse.

Gedanken zur Toleranz

Ist es sinnvoll, Intoleranz mit Intoleranz zu begegnen, wie dem LSVD vorgeworfen wird? Oder zeigen wir vielmehr dann Grösse, wenn wir über solche Aussagen hinwegsehen, tolerant sind? Was ist mit Toleranz eigentlich gemeint? Ein Synonym ist die „Duldsamkeit“, man lässt also fremde Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten gewähren und gelten. Toleranz bedeutet heute aber auch die Anerkennung der Gleichberechtigung unterschiedlicher Individuen. Papst Benedikt XVI. lässt dies uns gegenüber nicht walten. Schon 2008 hat er unmissverständlich formuliert, dass eine homosexuelle Lebensweise “einer Selbstzerstörung des Menschen und der Zerstörung von Gottes Werk selbst” gleichkommt. Erst kürzlich hat er Homosexualität auch als „unmoralisch“ und „unentschuldbar“ bezeichnet.

Unsere Meinung

Wir bedauern vor allem, dass LGBT-Gruppierungen in solchen Angelegenheiten nicht die gleiche Meinung vertreten. Denn: Wir sind sowieso schon in der Minderheit, warum schwächen wir uns also noch zusätzlich und gegenseitig? Die Angelegenheit ist zugegebenermassen heikel, es sind verschiedenste Überlegungen mit einzubeziehen. Wir kommen zum Schluss: Unsere Sympathien liegen auf Seiten des LSVD. Es fällt uns ehrlicherweise (zu) schwer, tolerant gegenüber einer Person, einem Religionsführer zu sein, die/der uns weder respektiert noch akzeptiert und auch keine Anstalten macht, diese Position jemals zu überdenken. Wir sind zudem der Meinung, dass die LSU für die falsche Sache einsteht, respektiert Jospeh Ratzinger doch auch deren Mitglieder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht. Daran ändert auch die Parteizugehörigkeit (CDU/CSD) nichts.

Info: http://www.queer.de/detail.php?article_id=13380



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2 Comments

  1. Anne
    1. Januar 2011 at 23:21

    Die Grenze der Toleranz liegt dort, wo die Intoleranz beginnt. Toleranz kann nur den Toleranten gegenüber geübt werden, sie ist eine Sache der Reziprozität!!

  2. Katrin
    24. Dezember 2010 at 13:42

    Ich finde den Begriff “Toleranz” sehr schwierig, denn er hat einen negativen Beigeschmack. Ich kann auch etwas tolerieren, einfach weil ich muss, ohne es gutzuheissen. Mir wäre lieber, wir würden akzeptiert, so wie wir sind, nämlich als Menschen, die lieben.
    Aber Vorsicht! Die Entscheidung und das Umdenken liegen nicht beim Papst alleine! Auch er steht in einer Tradition, die er nicht von heute auf morgen auf den Kopf stellen kann-selbst wenn er es wollte (was er ja nicht will). Es geht dabei um so vieles mehr als nur die Akzeptanz von Homosexualität. Vor allem und als erstes geht es um die Annahme der historisch-kritischen Bibelexegese. Solange diese sowohl in kaltholischen Kreisen als auch in freikirchlichen evangelischen Kreisen nicht angewandt wird, solange kann auch nicht erkannt werden, dass gewisse Regeln und Ansichten verstaubt und heute nicht mehr aktuell sind. Solange dies aber nicht verändert wird, solange gilt sowohl Lev18,22; Lev20,13 im Alten Testament als auch Paulus’ Worte Röm1,26-27, die klar Sex unter Männern verurteilen! Bis die vereinigte Kongregation in Rom ihre Haltung offiziell verändert wird wohl noch ziemlich viel Wasser den Rhein hinab fliessen….

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