Coming-Out

Coming Out Teil 3: Gesellschaftliche Reaktionen und bisheriger Weg

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Nun komme ich zum letzten Teil meines Coming Outs. Im ersten Teil und im zweiten Teil bin ich auf mein inneres und äusseres Outing eingegangen. Nun versuche ich mich als Mensch und als Lesbe zu reflektieren in einer vermeintlich heteronormativen Welt. Denn die anfängliche Erleichterung nach meinem Outing wich bald dem Gefühl der totalen Orientierungslosigkeit. Mir wurde klar, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, wo ich stehe und wo mein Platz in dieser Gesellschaft ist.

 

Welt vs. Ich

 

 

In dieser Welt ist alles darauf ausgelegt, dass Frauen Männer lieben und umgekehrt. Jede Werbung, jeder Film, jedes Lebenskonzept, das irgendwo vermarktet wird, dreht sich um dieses vermeintlich perfekte Glück zwischen Mann und Frau. So viel Anklang das auch bei den meisten Menschen finden mag, mir sagt es nicht zu. Aber auch wenn ich ganz genau weiss, dass ich das nicht will, lockt es mich, wie der süsse Duft eines Kuchens, von dem ich nie kosten werde. Es ist nicht so, dass ich so leben möchte oder könnte, mit Mann und Kind und weiss der Teufel was. Es ist nur so, dass es einfacher wäre. Denn obwohl ich meine Liebe zu Frauen, als das normalste der Welt empfinde, führt mir die Gesellschaft tagtäglich vor Augen, dass es eben nicht so ist. Und so gibt es unendlich viele Szenen in meinem Leben in denen ich spürte, dass ich nicht in diese auf Heterosexuelle massgeschneiderte Welt passe. An guten Tagen denke ich, es ist gar nicht erstrebenswert da rein zu passen, aber an schlechten Tagen fühlt es sich an, als würde ich mich 100 Sachen gegen eine Wand rasen.

 

Lesbe – who cares?

 

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Seit meinem Coming Out nehme ich mich selbst als Lesbe wahr. Auch meine Freunde und Familie tun das, aber abgesehen von ihnen wohl niemand. Alle anderen gehen automatisch von meiner Heterosexualität aus. Und das nervt gehörig. So zwingt es mich immer wieder mich entweder zu rechtfertigen oder dazu mich selbst zu verleugnen. Die Krönung war als mich in Berlin ein Türsteher vor einer Gay-Party ernsthaft fragte, ob ich wisse, was da für eine Party im Gange ist und ob ich wirklich da rein möchte. Es scheint, als habe die Gesellschaft immer noch klare Vorstellungen von Lesben und als sei dieses kommune Bild der Kampflesbe ziemlich festgefahren. Mit meinem Outing konnte ich zumindest bei einigen Menschen das Bild von Lesben verändern und sie wiederum verändern das Bild ihrer Freunde. Aber es fehlt die Präsenz von Lesben im alltäglichen Leben, die zeigt, dass wir keine frustrierten Mannsweiber sind, die keinen Mann abbekommen.

 

Dazu stehen

 

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Ich habe mich entschlossen öffentlich zu meiner Homosexualität zu stehen. Zum Teil traf ich diese Entscheidung ganz bewusst, weil ich denke, dass es sehr wichtig ist, um Vorurteile abzubauen und um aus dem Schattendasein zu treten. Der Entschluss war aber auch ein logischer Schritt auf meinem Weg. Niemand kann mir weiss machen, dass frau wirklich glücklich werden kann, wenn sie ständig einen Teil von sich verstecken muss. Frauen, die nicht zu ihrer Homosexualität und folglich auch nicht zu mir stehen , kann ich einerseits verstehen, weil es für mich auch lange unvorstellbar war. Aber andererseits ist es auch frustrierend und verletzend zu gleich. Zermürbend daran finde ich vor allem das Gefühl, um etwas betrogen worden zu sein. Ich möchte die volle Dröhnung Liebe und nicht einen an Bedingungen geknüpften Hauch von Liebe. Klar frau muss ihre Liebe auf keinen Fall zur Schau stellen, aber sie zu verstecken hat so einen bitteren Beigeschmack des Unmoralischen. Und wo soll das hinführen? Ein Leben im Verborgenen kann von niemanden das Ziel sein. Gerade in der Schweiz haben wir zum Glück die Wahl, um uns gegen ein solches Leben zu entscheiden im Gegensatz zu vielen Homosexuellen in anderen Ländern.

Manchmal frage ich mich, was ich machen würde, wenn ich jetzt die Wahl hätte zwischen meinem Leben als Lesbe oder nochmals neu zu beginnen als Hetero. Klar habe ich Schwierigkeiten und Sorgen, die ich als Heterosexuelle nicht hätte, aber das gilt auch umgekehrt. Ausserdem führen so was-wäre-wenn Gedanken zu nichts und bringen niemanden weiter. Ich lebe jetzt, ich lebe lesbisch und ich lebe gut. Heute weiss ich es ist in Ordnung, so zu empfinden und Millionen von Menschen tun es mir gleich. Es ist Liebe und nur wenn wir lieben können sind wir wirklich frei.



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2 Comments

  1. 19. Juni 2013 at 22:45

    hab mich das auch schon gefragt von wegen; wenn ich die wahl hätte…
    und ich kann es mir so sehr nicht anders vorstellen, dass ich aus vollem herzen das gefühl habe, ich möchte es genau so, wenn ich die wahl hätte! ich möchte frauen lieben, weil frauen so toll sind…

  2. querdenkerin
    19. Juni 2013 at 9:54

    schöner text!
    ich empfinde mich selbst als lesbe und zwar so sehr, dass ich jedes mal erstaunt bin, wen außenstehende von was anderem ausgehen =) aber richtig öffentlich lesbisch bin ich nicht, ich war leider noch nie in einer festen Beziehung mit einer frau und habe deswegen das gefühl, nicht ernst genommen zu werden, wenn ich mich anderen gegenüber oute

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