Love & Dating

Meine Traumfrau? – Der persönliche Heiratsreport von Lucia

Orkan der Gefühle

Zwei Stunden vor unserem Trauungstermin wussten Tina und ich tatsächlich noch nicht, ob wir heiraten würden. Einige wenige Wochen zuvor fegte ein gewaltiger Orkan des Streites mit zertrümmerndem Ausmass über uns, der uns beiden traumatische Erlebnisse bescherte. Unser Wunsch, uns zu vermählen, rückte in weite Ferne und erschien völlig indiskutabel. Ich war aufgrund der Geschehnisse in eine mittelprächtige lethargische Depression gerutscht und dümpelte vor mich hin; versuchte Tag um Tag zu überleben und zu überstehen. Sollten Tina und ich eine der vielen Beziehungen sein, die sich irgendwann trennten, nur weil es Unstimmigkeiten gab oder weil wir uns stritten? Ich konnte es nicht fassen. „Wer, wenn nicht sie? Diese Traumfrau, die einfach so mega zu mir passt?“, sagte ich mir immer wieder. Mein Verstand holte sogleich zwei grosse Schalen heraus, in die er die Pro und Kontra hinein legen wollte, um später abzuwägen, was nun das sinnvollste sei. „Quatsch“, rebellierte mein Herz, „die Sache ist glasklar, es soll, es muss, es wird weitergehen, mit uns beiden!“ Der lethargische Teil in mir hatte komplett resigniert, war innerlich leer und taub. War alles umsonst gewesen? In mir drehten sich Gedanken wie im Karussell. Wie ferngesteuert erledigte ich die auf ein Minimum reduzierten Tagesaufgaben. Letztendlich begriff ich, dass nur Zeit die vergangenen Orkanwunden heilen würde. Ich, meine Seele, mein Herz und mein Gefühlsknoten brauchten Zeit. Und die hatte ich tatsächlich, wenngleich begrenzt, zur Verfügung. Mein Wohnsitz lag in Artà, einem kleinen Künstlerstädtchen inmitten der Insel Mallorca im Mittelmeer vor Spaniens Küste. Meine geliebte Tina weilte zeitgleich in Kiel mit ihrer Tochter Anna (17 Jahre). Sie waren im Einpack-, Wegschmeiss- und Verschenk-Modus. Es war geplant, dass die beiden mit Sack und Pack zu mir ins Paradies zeihen würden. Auch dies stand nach dem Schwall von heftigsten Auseinandersetzungen auf der Kippe. Alles stand auf der Kippe. Tina und ich waren absolut ratlos. Das Leben ging weiter, wenngleich wir nicht wussten, in welche Richtung es gehen würde und ob es sich überhaupt gemeinsam weiter entwickeln würde. Ich kroch von Tag zu Tag, darauf wartend, dass ich von der inneren Leblosigkeit erlöst werden würde. Eine klare wache Stimme in mir forderte mich auf, mich zu entscheiden und alles dafür zu geben, dass der Termin des Ja-Versprechens geschehen würde, damit eine Basis unsere Beziehung sichern würde. Wir kannten uns seit einem dreiviertel Jahr und wussten recht rasch, dass wir zusammengehören.

Zweiter Trauungsversuch

Der Termin auf dem Standesamt war zum 13 des Monats gewählt. Ich fand das Datum super; und jetzt stand ich am Anfang des Monats. Mit der gefühlt tiefsten aller Depressionen hatte ich mich abgefunden und hoffte nur noch auf ein Wunder, das Tina und mich zusammen vor den Altar stellen würde. Immerhin war es schon der zweite Anlauf innerhalb von wenigen Wochen, gemeinsam vor offiziellen Augen uns das Ja-Wort zu geben. Bei unserem ersten Termin hatte Tina drei Tage zuvor mit dem Rauchen aufgehört, was zu leichten Irritationen führte und uns auch da in einen mittelprächtigen Orkan der Unstimmigkeiten schleuderte. Wir gaben alles und umso mehr drückte der Cosmos, das Universum, oder wer auch immer, uns auseinander.

Der erste Trauungsversuch viel ins Wasser. Lustigerweise wurde unser einst geplanter Trauungstag wunderschön: Wir machten eine kleine Schifftour und waren sehr glücklich. Schon bald waren wir wieder sicher, wir würden heiraten. Und sogleich war ein neuer Termin beim Standesamt erbeten, der uns nun kurz zuvor stand.

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Lebensverpartnerung, Zugewinngemeinschaft

Zwischenzeitig wurden riesige politische Homoehe-Wellen geschlagen, wie und wo sie nun zugelassen sei, wie man sie betiteln würde und unter welchen Umständen. Die Gleichstellung der Ehe. Die gute Angie Merkel wurde zerhackstückelt wegen ihres mittelalterlichen Rückschritts und ihrer unklaren Aussagen. Auf Facebook reihten sich eine Empörung und Rebellion nach der anderen, die Profilbilder wurden in Regenbogenfarben getaucht. Tina und mir waren diese äusseren Begebenheiten relativ egal, wir wollten uns einfach vereinen, wie immer es nun heissen würde. Wir lernten einen neuen Begriff dazu und was er zu bedeuten hatte: Lebensverpartnerung. „Waren Sie schon einmal verpartnert“, wurden wir in unserem ersten offiziellen Pflicht Trauungs-Beratungsgespräch gefragt. Ich dachte, „naja klar hatte ich schon mal Partnerinnen.“ Welch Glück, ich sprach es nicht aus. Ich lernte, dass eine Verpartnerung einer lesbischen oder schwulen Ehe glich.

Was sind denn dann überhaupt die Pflichten und Rechte, wenn sich zwei gleichgeschlechtliche Wesen dieses Planeten Erde zusammenfinden und in den Bund der gemeinsamen Lebensführung gehen. „In Deutschland handelt sich um eine Zugewinn Gemeinschaft“, wurde ich von einer Richterin aus meinem Kreise belehrt. Aha, schon wieder ein neues Wort gelernt. Laut Wikepedia bedeutet es, dass beide Personen ihr eigenes Vermögen behalten, dass sie vor Verpartnerung schon besaßen. Lediglich das, was ab Tag der Vereinigung dazu gewinnt, wird im Falle einer Trennung geteilt. Jede der beiden PartnerInnen behält seine eigene Verantwortung. So bleiben auch mitgebrachte oder neu entstandene Schulden bei der betreffenden Person, rechtlich ist die und der LebenspartnerIN davon unbetroffen. Der Lesben und Schwulen Verband LSVD zählt im Jahr 2013 in Deutschland 35.000 gleichgeschlechtliche Paare als eingetragene Lebenspartnerschaft, die in einem Haushalt zusammen leben. 15 000 Paare beziehungsweise 43 % waren eingetragene Lebenspartnerschaften von Frauen.

In der Schweiz trat am 1. Januar 2007 das Gleichstellungsgesetz in Kraft. Das heutige Partnerschaftsgesetz enthält nahezu die gleichen Rechte wie die Zivilehe. Ausgenommen ist das Recht auf Adoption und der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin. Bis Ende 2012 durften eingetragene Partner keinen gemeinsamen Familiennamen führen. Erst seit dem 1. Januar 2013 ist die eingetragene Partnerschaft der Ehe im Namensrecht gleichgestellt. Im Gegensatz zur Ehe, wo in der Regel eine Zugewinngemeinschaft besteht, ist dies bei einer eingetragenen Partnerschaft nicht möglich. Es besteht Gütertrennung. In Deutschland ist die „Eingetragene Partnerschaft“ seit 2001 gesetzlich anerkannt.

Zeit rückt voran

Die Zahl 13, Tag der Standesamtlichen Trauung, rückte näher, und mein Zustand war geblieben. Die Resignation umhüllte mich mit ihrem schweren Gewand. Mein Geburtstag war der 10te des Monats, der Tag, an dem ich von meinem Wohnsitz Mallorca nach Kiel zu Tina fliegen würde. In der Nacht zuvor wurde ich endlich erlöst, und das Gewand der Schwere viel von mir. Welch Segen! Es kam wieder Licht in mir auf, ich spürte so etwas wie Freude, konnte sogar lachen, Zuversicht kam in mir hoch. Yep, das Leben hatte mich wieder. So sass ich im Flieger von Mallorca nach Kiel, voller Lebensfreude und gewillter Kraft, meine Herzensfrau vor dem Trau-Tisch zu heiraten ehhh zu verpartnern. Wie ich das anstellen würde, war mir absolut unklar. Als Tina und ich uns drei Tage vor offiziellem Trauungstermin wieder trafen, lag noch immer der Staub des Streitorkans von vor drei Wochen auf uns. Unsicher und glücklich zugleich fanden wir uns wieder. Ein radikaler Lebenswechsel auf allen nur erdenklichen Ebenen stand Tina und ihrer Tochter Anna zuvor. Ich mit einbezogen, da sie zu mir ins Ausland ziehen würden, sodenn es sein sollte. Flugtermin war in fünf Tagen, am 15ten des Monats.

Als ich in Kiel eintraf, wirkte die gekündigte Wohnung der beiden auf mich bewohnt wie zuvor. Gefüllt mit allerlei Möbeln. Mir wurde mulmig, ein Hauch von Panik durchdrang mich. In vier Tagen sollte die Wohnung leer sein und an den Nachmieter übergeben werden, der ja auch noch nicht wirklich feststand. Alles stand auf wackligen Stelzen, die so leicht hin und her wankten. Eine Heirat bzw. Verpartnerung stand drei Tage vor Standesamt-Termin nach wie vor in weiter Ferne. Tina und ich sprachen dieses Thema galant nicht an. Es gab genügend andere Baustellen, die in kürzester Zeit bewältigt werden sollten. So wurden weiter Kartons gepackt, Möbel geschleppt, Sperrmüll bestückt, bis die Wohnung sichtbar leerer wurde. Der Montag, unser augenscheinlicher Trauungstag, begann damit, dass wir gemeinsam liebevoll erwachten und kurzerhand die Wohnung weiter leerten und putzen, damit sie am darauffolgenden Tag an den noch unbekannten Nachmieter übergeben würde, so alles gut ginge. Tina und ich hatten uns mittlerweile darin geübt, den Dingen ihren Lauf zu lassen anstatt sich in allerlei Sorgen oder „Was ist, wenn…“ Gedanken zu verlieren.

Spontaner geht nicht!

Inmitten des seeligen Räumens und Putzens drängte sich in mir eine Stimme durch, ich nahm Tina in meine Arme und fragte sie liebevoll „ was machen wir eigentlich nach dem Frühstück, das wir gleich zu uns nehmen?“ Meine Traumfrau schaute mich fragend an. „naja, weiter putzen.“ „Und was ist, wenn wir zu unserem Standesamt-Termin in zwei Stunden gehen und einfach heiraten?“ entgegnete ich. Schnell führte ich all die Vorzüge auf, die mir ungefiltert in den Sinn kamen oder die ich Tage zuvor gesammelt hatte. Da Tina und ich beide Fluchtimpulse hatten, da wir gefühlte Sicherheit brauchten, da wir einfach unschlagbar gut zusammen passten und uns phänomenal ergänzten – genau deswegen war eine Trauung das Beste, was wir tun konnten. Tina erbat eine Minute Bedenkzeit, um eine Entscheidung zu treffen. „ So etwas furchtbares wie der vergangene Streitorkan darf uns nie wieder passieren, das müssen wir uns versprechen!“, mahnte sie. Ich stimmte sofort zu. „Und was ziehen wir jetzt an, wo doch alles schon verpackt und verschickt ist?“ Rasch öffneten wir unsere Koffer und befanden schliesslich, dass eine jede ihre Lieblingshose – blaue Jeans und schwarze Latexhose – gepaart mit weisser Bluse und glänzend schwarzen Schuhen genau uns entsprechend würde. Yes, wir waren ein Traum-Trauungspaar!

Stille Trauung

Wir hatten vorsorglich niemandem von unseren Plänen erzählt, lediglich meine allerbeste Freundin war eingeweiht, dass wir eventuell den Termin wahrnehmen würden. Tina’s Tochter war bei ihrem Freund und schlief noch. Kichernd machten wir uns fertig, packten die wenigen Papiere zusammen, die wir brauchten. Spontan entschieden wir, unsere Handys zuhause zu lassen. Es sollte unser Moment sein, ganz alleine unser Moment, schlicht und ergreifend. In mir war beständige Achtsamkeit, damit es auch tatsächlich zu dem Ja kommen würde. „Vergiss nicht deine Zigaretten“, erwähnte ich in aller Vorsicht. Wir lachten und waren schon im Taxi unterwegs. Meine innere Spannung stieg, sollte es dieses Mal tatsächlich stattfinden? Ich bewahrte Ruhe. Am Standesamt verlief alles perfekt, nett und unkompliziert. Spontan entschieden wir, unsere Paar-Ringe als Trauringe zu verwenden. Wir legten sie zu den Papieren. Im Trauungssaal, der gefüllt mit leeren Stühlen war, fanden wir uns mit der wirklich sehr sympathischen Standesbeamtin ein. „ Willst du rechts sitzen oder eher links?“, fragte ich meine wahrscheinlich Zukünftige. Wir beide tauschten die Plätze, bis es passte. Es war alles so lustig und irreal, abstrakt und abgrundtief real zugleich.

Lucia & Tina, das glückliche Paar

Was steht hinter diesem besonderen Ja-Wort?

Die Beamtin hielt eine persönlich verfasste Rede, die sie für uns geschrieben hatte. Sie wusste von unserem zweiten Anlauf, die Ehe zu vollziehen. Das Ja zu uns, das Ja zu allem, was dazu gehört, das Ja zu den schönen wie schweren Zeiten. Das Ja zu den Macken, oder sogenannten Fehlern, der Partnerin. Das Ja zu gemeinsamen Projekten, zur gemeinsamen Lebensführung, zur gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen, das Ja auf Lebzeiten. Wow, welch kraftvoll und mit Konsequenzen behaftetest Ja. Alles in mir strahlte vor Glückseligkeit! Genau das alles wollte ich teilen mit dieser wunderbaren Frau an meiner Seite, und noch vieles mehr! Sie war die Frau in meinem Leben, mit der ich von ganzem Herzen alles erleben und durchleben wollte. So gaben wir uns liebevoll und voller Überzeugung das besondere Ja, streiften einander die Ringe über und bekamen die DIN A5 grossen Urkunden in die Hand gedrückt. Nun waren wir vereint. Lebensverpartnert, um im aktuellen deutschen Rechtswortschatz zu sprechen. Eines Tages, wenn es die Gleichstellung der Homoehe gäbe, würden wir heiraten, so viel stand fest.

In der Wohnung angekommen, blieben wir in unserem Outfit, packten Wischschwamm und Besen, und putzen heiter weiter. Einen am Kiosk erworbenen lauwarmen Picolo zischten wir zwischendurch. Ein perfekter Tag, wie er perfekter nicht hätte sein können. Meine eingeweihte Freundin Andrea kam auf gut Glück vorbei, falls wir uns entschieden hätten. Wir nahmen den von ihr mitgebrachten Brautstrass stimmig entgegen. In der Zwischenzeit hatte sich sogar ein Nachmieter für die Wohnung gefunden, der am folgenden Tag die Wohnung leer und tiptop geputzt übernahm. Und an dem darauffolgenden Tag sassen wir drei mitsamt Minihund beseelt im Flugzeug nach Mallorca.

Auf der Insel angekommen leben Tina und ich in zwei verschiedenen Haushalten, eine jede hat ihr eigenes Reich, ihre eigene Wohnung. Wir entscheiden, wann wir uns sehen wollen. Und wir lieben es, wenn wir uns mehrmals am Tag begegnen. Uns zu verpartnern war eine ganz kraftvolle Handlung, die unsere Beziehung viele Ebenen nach oben gebracht hat, die unsere Beziehung enorm gefestigt hat, die uns noch achtsamer miteinander umgehen lässt. Eine Entscheidung, die einerseits nichts verändert, und die anderseits so viele kleine innere Details und Einstellungen und Umgangsformen verändert. Welch Geschenk!

 



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