Love & Dating

Mitte 20 + lesbisch + Kind. Wie geht DAS denn?!

„Oh mein Gott, er ist sooo süüühüüss!“ Ja, das ist er wirklich. Mein knapp zweijähriger Sohn ist ein echter Goldschatz. Manchmal ist er aber auch einfach nur quengelig und reisst an meinem letzten Nerv. Es ist ein Traum, mit ihm und (m)einer Freundin den Nachmittag auf dem Spielplatz zu verbringen. Es beschert mir aber auch schlaflose Nächte, wenn ich versuche, ein romantisches Wochenende – oder schon nur eine intime Nacht – ohne ihn zu bewerkstelligen. Als junge, alleinerziehende Lesbe werde ich nicht nur mit unpassenden Fragen konfrontiert, sondern auch mit der Herausforderung, meinem Kind, meiner Beziehung und meinen eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ein Blog über die Höhen und Tiefen von lesbischer Mutterschaft.

 

Wie kommt eine Lesbe zu einem Kind? Das ist wohl eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt wird. Ich bekam ein Kind, weil ich mit einem Mann zusammen war und wir Sex hatten. Grundsätzlich funktioniert das bei Menschen so. Ob vor oder nach dem Coming-out, mit oder ohne Beziehung, manchmal schlafen auch lesbische Frauen mit Männern. Wie also kommt eine Lesbe zum Kind? Entweder durch Heterosex, künstliche Befruchtung oder Adoption. So einfach.

Daten und Flirten

Als alleinerziehende Frau hat man beim Daten automatisch irgendwie immer schlechtere Karten. Früher, also ich meine in der Zeit, in der ich noch nicht Mama war, war alles ein Spiel. Jedes Treffen und  Kennenlernen – nichts war ernst, geschweige denn bedeutungsvoll. Mal nahm ich jemanden mit nach Hause, mal ging ich selbst mit. Ich tat, wonach auch immer ich gerade Lust hatte. Heute geht das nicht mehr. Das Unbedachte. Das hat aber auch gute Seiten, wie ihr später noch lesen werdet.

Letztens an einer Party wurde ich von einer wirklich heissen Frau angesprochen. Dem üblichen Small Talk folgten ein paar Drinks und wir fingen an zu tanzen. Die Zeit verflog und als wir uns eine Rauchpause gönnten, kamen die interessanteren Fragen: Was machst du so beruflich? Was sind deine Leidenschaften? Deine Schwächen? Worauf stehst du bei Frauen? Alles in allem ein lockeres Gespräch, bis die Frage kam, ob ich alleine wohne. Eine Frage, welche normalerweise mit einem klaren Ja oder Nein beantwortet wird. Ich weiss aber manchmal nicht so recht, wie ich meine Situation erklären soll, ohne meine neue Bekanntschaft gleich zu erschrecken. Ich wohne nicht alleine. Ich habe ein Kind.

Meistens bin ich einfach ehrlich, geradeheraus, denn was bringt es, sich irgend eine Geschichte auszudenken? Es ist, wie es ist. Ich bin Mutter. Meist sind die Reaktionen: «Ach wirklich?! Ist ja süss.» oder sowas in dem Stil. Das ist sicher nett gemeint und auf den ersten Blick auch vollkommen neutral. Doch wenn du genauer darüber nachdenkst oder wenn man, wie ich, Mutter ist, dann kommen Zweifel. Was heisst das, „es ist süss“? Die meisten haben keine Ahnung, was ein Kind mit sich bringt. Verantwortung, Verpflichtung, Einschränkungen. Natürlich überwiegt für mich das Positive, wenn ich an mein Kind denke. Aber dennoch: Für eine Beziehung oder schon nur eine Affäre ist es immer gleich kompliziert, wenn ein Kind mit im Spiel ist.

Little boy receiving gift from a woman

Liebe und Beziehung

Mit einem Kind trägt man Verantwortung und hat Verpflichtungen. Spontanität ist praktisch unmöglich. Das ist nicht nur negativ: Man muss aussortieren, genauer hinsehen und sich eine gewisse Zurückhaltung angewöhnen. Wen stelle ich meinem Sohn vor? Wer erfährt überhaupt von ihm?

Bis vor Kurzem war ich mit einer Frau zusammen und es war eine sehr schöne, intensive Zeit. Sie hat meinen Jungen kennen und lieben gelernt. Manchmal kam es mir vor, als wären wir schon ewig zusammen – ein Team in jeder Situation. Aber ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe nicht erkannt, dass sie trotz allem mit ihrer neuen Rolle überfordert war. Überfordert und überwältigt vom ganzen Drum und Dran, das ein Kind mit in eine Beziehung bring. Gerade jüngere Frau unterschätzen die Rolle als Co-Mama oft. Wenn dann noch andere Stressfaktoren hinzukommen, brechen die Frauen ein. Das hat nichts mit Schwäche zu tun, sondern damit, dass sie sich selbst überschätzen. Ich gebe zu, sich zu überschätzen ist nicht nur altersabhängig. Ganz generell muss man sich als Single-Mom bewusst sein, dass sich eine zukünftige Partnerin an einen selbst und an das Kind binden wollen muss, damit die Partnerschaft funktioniert. Leider erreichen viele Frauen die Grenze des Ertragbaren schon, sobald der erste Jöö-Faktor verschwunden ist.

Als Mama, hat man meiner Erfahrung nach weder Lust noch Zeit für Spielchen. Das Hin und Her, On und Off in einer Beziehung schadet einem doppelt. Emotionale Schwankungen übertragen sich nämlich auch auf das kleine Wesen, dass von seiner Mutter und deren Liebe abhängig ist.

Bist du Mutter und hast du dich gerade frisch verliebt oder bist in einer neuen Partnerschaft, dann fragst du dich vielleicht auch manchmal (oder eher oft), wie du das Ganze mit Kind und Frau unter einen Hut bringen kannst. Denn beide haben Bedürfnisse und du natürlich auch! Vorallem am Anfang der Beziehung können Eifersucht und Streitereien aufkommen und die Harmonie arg in Mittleidenschaft ziehen. Dabei wollen doch alle Beteiligten nur lieben und geliebt werden. Aber du bist nun mal nicht mehr alleine Single. Es gibt dich nur im Doppelpack. Da bekommt „Teilen“ eine erweiterte Bedeutung, denn eine Beziehung mit einer alleinerziehenden Frau ist schlussendlich immer eine Dreiecksgeschichte.

Es langsam angehen lassen, ist der Königsweg. Meiner Erfahrung nach ist Zeit der ausschlaggebende Faktor – insbesondere am Anfang der Beziehung. Und ja, ich weiss, ist man frisch verliebt, will man Zeit für sich und für sie. Nur zu zweit – am liebsten im Bett. Solange man jedoch keinen Babysitter hat, funktioniert das nicht sonderlich gut. Und ausserdem kann das Kind es einem auch übel nehmen, wenn es glaubt, «abgeschoben» zu werden. Genauer gesagt: Wenn es den Zusammenhang zwischen Damenbesuch und Rausschmiss erfasst, dann sind Eifersucht und Drama vorprogrammiert. Also bitte, bei allem Gefühlsrausch: Die Rolle als Mama ist immer stärker, als die der Geliebten. Denn die Mamarolle dauert in der Regel aucht länger als eine Liebesbeziehung.

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Vorurteile und meine Antworten darauf

Du hast ein Kind von einem Mann? Du bist keine echte Lesbe.

Als frauenliebende Frau mit Kind aus einer heterosexuellen Beziehung hat man immer einen speziellen Stand. Sowohl die Heteros als auch die queere Community nehmen einem nicht mehr wirklich ernst. Man wird mit Anfeindungen und Misstrauen konfrontiert. Nicht immer, aber leider doch recht oft.

Ich sage immer, ich verliebe mich in den Menschen, nicht in das Geschlecht. Dennoch definiere ich mich als Lesbe. Auch das ist für viele ein widersprüchliches Bild. Woher diese engstirnige Haltung kommt? Liegt wohl an unserer Gesellschaft, die das Schachteldenken und Labels-verteilen so schön pflegt. Passt du nicht in die Schubladen, so sage ich dir folgendes: Scheiss drauf, wenn andere dich irgendwo einreihen wollen, denn die einzige Schublade, in die du gesteckt werden kannst, ist deine eigene. Sei dir bewusst, wer du bist und was du willst. Alles andere ist Nebensache und braucht dich nicht zu kümmern. Leb dein Leben so, wie du dich wohlfühlst. Ich tue es und es geht mir gut dabei.

Wird das Kind nicht gehänselt in der Schule?

Ganz ehrlich: Keine Ahnung. Wahrscheinlich wird er früher oder später mit Aussagen seiner Mitmenschen konfrontiert werden, die nicht positiv über meinen Lebensstil denken. Aber seien wir realistisch: Welches Kind wird nicht wegen irgendwas gehänselt – und sei es nur seine Kleidung oder seine Aussprache. Kinder untereinander können ganz schön grausam sein – weil wir sie so machen.

Der Tag wird kommen, an dem ich mich mit meinem Sohn über meine Liebe zu Frauen unterhalte. Dass ich ihm gegenüber immer ehrlich bin, ist für mich das Wichtigste. Ich glaube fest daran, dass mein Kind kein Problem mit meiner sexuellen Orientierung hat, wenn ich ihm seine Fragen offen beantworte. Kinder sind von Natur aus neugierige, offene und tolerante Wesen. Die Erziehung trägt dazu bei, wie sie auf ihre Umwelt reagieren. Mein Sohn ist noch sehr klein. Dennoch weiss ich, dass unsere Kinder ein Spiegel von uns selbst sind. Es liegt bei uns, was aus ihnen wird.

Dein Kind wird auch homo.

Dies ist wohl eines der dümmsten Vorurteile, die ich kenne. Keiner von uns weiss, wie Sexualität entsteht, bzw. durch welchen Faktor wir Frauen oder Männer oder beide Geschlechter lieben. Lange Zeit hat man angenommen, dass Homosexualität eine ansteckende Krankheit und somit therapierbar sind. Das ist längstens widerlegt. Genauso unbewiesen und unhaltbar ist die Annahme, dass Homosexualität aus einem Gendefekt entsteht. Es wurde nie ein Gay-Gen gefunden. Was erwiesen ist, ist dass es in machen Verwandtschaftskreisen mehr queere Personen gibt als in anderen. Doch auch das kann ein Zufall sein. Dass die Kindern von LGBTQIA+ People eher nicht-hetero werden oder sind, ist durch keine Studie aufzeigbar. Ich selbst glaube auch, dass meine Homosexualität meinen Sohn nur in soweit beeinflusst, dass er offener wird, als andere Kinder – weniger gehemmt in seiner sexuellen Entwicklung. Aber sollte dies eigentlich nicht für jedes Kind gelten?

MILF – Das zweifelhafte Kompliment

MILF bedeutet «Mother I’d like to fuck», also eine Mutter, die man/frau gerne ficken würde. Sexy ist was anderes, finde ich. Mich schockiert es ab und zu noch immer, wenn mich jemand so nennt. Aber sehen wir den Tatsachen mal ins Auge: Willst ich lieber eine 08/15 Mutter sein, ungeduscht, ungeschminkt, müde und erschöpft – am besten mit Omaschlüpfern und einem ausgeleierten BH? Oder will ich eine attraktive Frau sein: Gepflegt, schöner Körper und ja, auch noch Mutter? Ich bevorzuge die zweite Option.

Aber ich kann euch sagen, vor allem im ersten Jahr ist es echt verdammt schwer, sich Zeit für sich und seine Beauty-Routine zu nehmen. Ehrlich! Ich habs  versucht und nach ein paar Wochen aufgegeben. Auch das ist ok. Das  Kind wird älter, man hat wieder mehr Zeit für sich. Und die soll man sich nehmen. Jaja, das Aussehen ist nicht das Wichtigste. Aber Mädel, glaub mir, du fühlst dich definitiv wohler, wenn du dich pflegst. Mit allem was dazu gehört. Tu es für dich, nicht um irgendwem zu gefallen. Ausstrahlung ist essentiell und die kommt, wenn du dir was Gutes tust.

Kinder sind das Wichtiste

Was mir als Mutter und Geliebte wirklich wichtig ist

Ich will niemandem Angst machen oder Kinder ausreden. Kinder sind wirklich etwas Wunderbares. Aber bitte, egal ob du Mama bist oder verliebt in eine: Sei realistisch, nicht naiv. Überschätze dich nicht und unterschätze die Situation nicht. Naja, leichter gesagt als getan. Meiner Erfahrung nach ist Ehrlichkeit das Wichtigste. Wenn es dir zu viel wird oder du verunsichert bist, dann sprich mit deiner Partnerin darüber.

Sieh der Tatsache ins Auge: Nach der Geburt (d)eines Kindes wird das Leben nie mehr so sein wie zuvor. Aber glaub mir, es gibt so viel Schönes, was dir erst als Mutter auffällt oder du nur als Teil einer Familie erleben kannst. Schätze jeden Moment, ob mit deiner Liebsten, deinem Kind oder als Co-Mama, denn die Zeit vergeht so schnell. Und zurückholen kannst du nichts.

Meine letzte lesbische Beziehung ist zerbrochen. Heute bin ich froh, dass es so früh passiert ist. Es hat mich vorsichtiger und bewusster werden lassen. Es hätte bestimmt einen einfacheren und weniger schmerzhaften Weg gegeben, dies zu lernen. Aber ich glaube, dass jede Bekanntschaft seinen Grund und Nutzen hat. Wenn es sein soll, dann wird man glücklich als Familie, wenn nicht, dann wartet die Richtige noch auf einen. Auch ohne Co-Mama erlebt man mit einem Kind mehr Freude als es ohne den kleinen Schatz möglich wäre. So geht es mir zumindest.

 

Hast du Fragen zur lesbischen Mutterschaft? Folgende Links fand ich hilfreich:

Regenbogenfamilien

Interview mit einer lesbischen Mutter

Doku des ZDF über schwule Väter und lesbische Mütter



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2 Comments

  1. Svea
    7. November 2018 at 13:04

    Danke für diesen tollen Artikel!
    Ich befinde mich noch in der Anfangsphase meiner neuen Lebensweise, weiß aber, dass dieser Weg der richtige ist.
    Wenn man jedoch ein Kind hat, hat man Verantwortung und macht sich Gedanken, was richtig ist. Ich bin mir bei vielem noch unsicher und daher sehr dankbar für Beiträge dieser Art.

  2. Mariana
    2. Februar 2017 at 0:53

    Hey :)
    schön, dass es noch ein anderes Spektrum von lesbischen Frauen gibt, auch wenn sie zwischen den Szene-Schönheiten und der Ideal-L-Word-Community nicht hervorstehen. Umso schön, so etwas zu lesen.
    Und ja, der Weg von homo zu hetero ist wirklich mehr als steinig, aber nicht jede Lesbe ist eine potentielle Partnerin.
    Danke dir, für die offenen Worte und deinen Mut.
    Ich hoffe, du wirst das kriegen, was du brauchst :)
    einfach eine tolle Geschichte mit viel Wärme, Mut, Anti-Labels und, und das ist wohl das Wichtigste, mit viel Hingabe :)

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