Politik

Denn sie wissen, was sie tun. Wir auch.

Heute vor drei Monaten wurde in Amerika ein neuer Präsident gewählt. Für mich ein riesiger Schock. Seit dem erreichen mich via Facebook fast täglich weitere „Schocknachrichten“ aus den USA. Die letzte lautete ungefähr so: Amerika hat die nächste rechte, konservative Multimilliardärin in die Regierung gewählt. Und zwar eine, die sich offen und mit viel Geld gegen LGBTI*s einsetzt. Diese Frau ist um die fünfzig, aus reichem Haus, genoß Privatunterrich, hat vieles studiert aber nie irgendwo richtig gearbeitet. Sie wurde gestern zur Bildungsministerin ernannt und wird sich für die Privatisierung der Schulen und „Gottes Rechte“ einsetzen. Es kann einem richtig Angst machen, wenn man über den Teich schielt. Da haben die Amerikaner einen rechts-konservativen Irren an ihre Spitze gewählt und der bestückt seine Regierung – oh, welch’ eine Überraschung – nun mit Seinesgleichen.

Als Trump die Wahl gewann, war das wie ein Hammerschlag. Ein Schlag aus dem Hinterhalt, mit einem großen, schweren Vorschlaghammer voll auf meinen Schädel. Sämtliche mir bekannten Medien und Statistiken sagten die Wahl von Hillary Clinton voraus. Dass einem offen rassistischen, frauenverachtenden, arroganten, eingebildeten, alten Milliardär ohne politische Erfahrung das Amt als „mächtigster Mann der Welt“ zugesprochen werden könnte, damit rechnete niemand. Jedenfalls niemand in meinem realen und virtuellen Umfeld. Ich konnte es nicht glauben, dass wir alle uns so geirrt hatten. Ich stellte mir die Frage „Irre ich bei anderen Themen auch so? Bin ich so tief in meiner Wohlfühl-Welt versunken und mit meinem Wohlfühl-Umfeld verschmolzen, dass ich die Frauen- und Homofeindlichkeit einfach rausfiltere und gar nicht mehr wahrnehme?“ Ich machte mir gewaltige Sorgen über mein Urteilsvermögen.

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War ich eine politische Traumtänzerin?

Raus aus dem Wattebausch

Wie ein Tsunami donnerten die Erinnerungen über letzten Rechtsrutsche in den Parlamenten der Schweiz und der Länder rund herum in mein Bewusstsein zurück. Rechts bedeutet, Abschottung gegen außen und gegen „Andersartiges“. Rechts geht mit „konservativ“ einher. Konservative wollen Bestehendes erhalten und Neuem keine Chance geben. Dem gegenüber stand mein eigenes Leben, das diesen politischen und gesellschaftlichen Wandel überhaupt nicht wiederspiegelte. Durch meinen beruflichen Erfolg schien mir bewiesen, dass jungen Frauen heutzutage alle Möglichkeiten offenstehen und sie problemlos, auch in einer Männerdomäne, einen Platz im Führungsgremium einnehmen können. Durch all die positiven Reaktionen auf meine lesbische Beziehung, sowohl zu Hause als auch auf Reisen, schien mir bewiesen, dass die Mehrheit der Menschen homosexuelle Liebe genauso anerkennt, wie heterosexuelle. Ich wusste zwar, dass die rechten Parteien auch in meinem Land an Gewicht zugelegt hatten, aber für mich war der Wandel nicht spürbar. Nicht in der Bevölkerungsschicht, in der ich mich aufhielt.

Dann wurde Trump gewählt und man las das erste Mal von der Facebook-Filter-Bubble und davon, dass wir heute nur noch das lesen und sehen, was wir wollen. Dass wir uns in unseren Wohlfühl-Welten aufhalten und uns gar nicht mehr mit Andersdenkenden austauschen. Das traf bei mir völlig zu. Wer auf Facebook Inhalte postet, die mich nerven, wird aus der Timeline weg-abonniert. (Boulevard-)Zeitungen, die rechtsbürgerliche Themen breitschlagen, würdige ich keines Blickes. Ich umgebe mich mit Menschen, die in mein Leben und meine Sichtweise passen. Aber ist das nicht normal? Sind wir nicht alle so? Herdentiere, die sich ihre Gruppe suchen und sich dann dort wohl und geborgen fühlen?

Gleich und Gleich
Gleich und Gleich gesellt sich gerne. Sagt man doch so, oder?

Auge in Auge mit der Hydra

Heute vor drei Monaten wurde Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. In diesen vergangenen drei Monaten habe ich mich noch intensiver mit politischen Themen befasst, als ich es ohnehin tue. Insbesondere internationale Politik, die mich ansonsten kaum interessierte, rückte in meinen Fokus. Ich gierte aber nicht nach ständig neuen Aufdeckungen aus den USA. Ich wollte ganz generell wissen, ob ich mich in unserer Welt tatsächlich so sehr täusche, wie ich befürchtete. Ich wollte auch wissen, ob meine Angst, meine Rechte als Frau und Lesbe zu verlieren, begründet ist. Denn die hatte ich plötzlich. Sie spiegelten sich in meinen Albträumen wieder. Ich fürchtete mich davor, in Zukunft nicht mehr Hand in Hand mit meiner Partnerin durch die Stadt schlendern zu können. Ich fürchtete mich auch davor, dass mein beruflicher Aufstieg plötzlich jäh gebremst wird – weil ich nur eine Frau bin.

Der Blick in die Welt da draußen

Ich verfolgte die Nachrichten und Newsportale, recherchierte bei „Schocknachrichten“ deren Wahrheitsgehalt und analysierte die Dramaturgie in Medienmitteilungen. Was ich so Stück für Stück aus den Meldungen klaubte, ließ mich aufatmen. Nur weil Amerika einen Rechtspopulisten an die Spitze gewählt hat, heißt das nicht, dass die ganze Welt ins Mittelalter zurück kehrt (Randbemerkung: Es ist dokumentiert, dass im Mittelalter der Homosexualität rege gefrönt wurde. Nur so als Brocken unnützes Geschichts-Wissens).  In Österreich verlor der rechtspopulistische Präsidentschaftskandidat die Wahl deutlich. In Deutschland wurden in den vergangenen zwölf Monaten eine Vielzahl an politischen Entscheiden für die Vielfalt und gegen Diskriminierung gefällt. Hamburg verabschiedete beispielsweise einen breit abgestützten Aktionsplan für Akptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.  Hessen erhöhte seinen Beitrag an LGBT* Projekte um mehr als 100%. Ein Gesetz, das Opfer vom Paragrafen 175 entschädigen soll, ist auf dem besten Weg. In der Schweiz wurden zwei Gesetzesentwürfe von christlich-konservativen Parteien, die eine Ehe unter gleichgeschlechtlichen Personen verunmöglichen wollten, an der Urne mit aller Deutlichkeit abgelehnt. In der Schweiz und in Deutschland wurden repräsentative Umfragen zur Ehe für alle und Akzeptanz von LGBT*s durchgeführt. Es sprachen sich bei beiden Umfragen weit über 50% der Bevölkerung für gleiche Rechte in den Themen Ehe und Familie aus. In Amerika gehen seit der Vereidigung von Trump fast wöchentlich tausende von Menschen auf die Straße, um gegen seine Politik zu demonstrieren.

Nur noch kurz die Welt retten…

Seit Trumps Wahl nahm die Mitgliederzahl bei linken Parteien in der Schweiz spürbar und außergewöhnlich deutlich zu. Die Wahl von Trump und seine politischen Pläne lassen die Menschen auf der ganzen Welt handeln. Es hat sie wachgerüttelt. Wie mich. Sie setzen sich gegen Ungleichbehandlungen aller Art ein. Menschen helfen, sie vermitteln, erklären, gehen auf die Straße, klären ihr Umfeld auf, streuen Toleranz und Verständnis.

Diese Erkenntnis beruhigte mich. Sie ließ die Albträume verschwinden. Und dennoch fühle ich mich, als würde über mir das Damoklesschwert hängen. Denn ich habe nicht nur die guten Neuigkeiten gefunden. Ich fand auch zahlreiche Nachrichten von rechtskonservativen Parteien, die sich gegen LGBT*s und andere Minderheiten formieren und damit Mehrheiten fanden. Genau wie Trump in Amerika. Ich wurde erneut daran erinnert, wie lange einzelne Gruppen, mit denen ich mich solidarisiere, bereits für ihre Rechte kämpfen. Frauen, die in der Schweiz für die Lohngleichheit kämpfen. Homosexuelle Männer, die Gerechtigkeit für die Gräuel der Vergangenheit und Prozesse gegen die Verantwortliche fordern. Sie haben zwar Siege errungen, aber es gelten nach wie vor noch lange nicht gleiche Rechte für alle. Weshalb? Weil unsere Parlamente und Regierungen in den vergangenen Jahren nach rechts rutschten. Und rechte Politik bedeutet „mehr für die, die sind wie ich und weniger für die, die anders sind“. Und wie sieht die Mehrheit in den politischen Gremien und anderen strategisch wichtigen Posten aus?  Sie ist um die 50 Jahre alt, männlich, gut ausgebildet, in der Wirtschaft tätig, Inländer, heterosexuell verheiratet, eventuell geschieden und hat ungefähr zwei Kinder.

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Da sind sie: Richtig gute Buddies. Zusammen sind sie stark und machen Politik. Politik für sich und die, die gleich sind, wie sie. Sind unsere Politiker da besser? Ich bezweifle es.

 Heute sind wir Teil der Geschichte, die wir für beendet hielten

Solange wir uns wehren, solange wir uns für die Gleichbehandlung einsetzen, solange wir für unsere Rechte und Werte einstehen, solange haben wir eine Chance, unsere Länder vor einer Regierung wie der von Trump zu bewahren. Aber es wäre naiv zu glauben, dass die Gegenseite ruhig dasitzt und die Füße still hält. Die AfD in Deutschland beweist es eindrücklich. Sie kämpft mit allen Mitteln und an allen Fronten für ihre Wählerstimmen und sie findet Unterstützung. Bei den letzten Wahlen überzeugten sie mancherorts einen Viertel aller Wähler (24.8% in Sachsen-Anhalt). Die Partei, erst 2013 gegründet, weiss wie sie in den Medien Platz findet und wurde dadurch rasant populär – genau wie Trump.

Ich glaubte, die Frauenbewegung und Stonewall seien Geschichte. Ich glaubte, meine Großmütter hätten für Akzeptanz kämpfen müssen und sie hätten für uns, die nachfolgenden Generationen, gesiegt. Wir, die heutige Generation, erleben gerade, dass dieser Sieg nicht für die Ewigkeit war – oder vielleicht gar nie richtig errungen wurde. Wir haben uns zurückgelehnt. Wir glaubten, uns würden sich alle Türen öffnen – schließlich seien wir alle gleich. Frauen, Männer, Weiße, Farbige, Homos, Heteros, Inländer, Ausländer und alle dazwischen – niemand ist mehr wert, als der andere. Mit diesen Werten wuchs ich auf  und ich glaubte, in der heutigen Zeit würde die Mehrheit nach diesen streben. Ich erlebe, dass sich die Werte zu wandeln beginnen. Grenzen werden geschlossen, Klassen werden geschaffen, Gruppen werden auf- oder abgewertet. Der Kampf hat wieder begonnen. Es ist wieder nötig, sich zu wehren. Sich für seine Ideale einzusetzen, Toleranz und Verständnis zu sähen, zu vermitteln, zu verhandeln. Die Ruhe ist vorbei. Wir haben uns wohl etwas zu lange ausgeruht. Wir, die junge Generation von heute. Wir glaubten unsere VorkämpferInnen* hätten die ganze Arbeit getan. Das war naiv.

Kampfansage

Wenn wir brennen, dann brennen Sie mit uns

Die Arbeit ist noch da und es ist an uns, diese weiterzuführen. Wir können das Feld, die Politik und unser Leben nicht denen überlassen. Denen die abwerten, denen die Grenzen schließen, denen die Anderssexuelle diskriminieren, denen die Frauen am Herd sehen wollen, denen die gleichgeschlechtliche Elternschaft verbieten wollen und die glauben eine „eingetragene Partnerschaft“ sei für uns gut genug. Wir sollen uns nicht so anstellen? Oh doch, wir stellen uns an. Und wie wir uns anstellen. Dies ist keine Drohung, dies ist eine Kampfansage.



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