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Glänzende Rehaugen, gerade geföhnte Haare, roter, voller Mund, perfekt geschminkt, dünne Taille, lange Beine, schlanker Schwanenhals. Das Model Luzia lächelt mich an. Sie ist schön. Ich will so sein wie sie. Bin ich aber nicht. Sie scheint glücklich zu sein. Ich bin es nicht…
Wie kann es sein, dass unsere Gesellschaft ein derart krankmachendes Bild von Schönheit erschaffen hat? Wie kann es sein, dass unser heutiges Schönheitsideal zu einem Wahn wurde, dem sich fast alle Menschen unterworfen haben? Wie können gesellschaftliche Werte, die sonst überall Individualität fördern, in dem Bereich “Schönheit“ so abgegrenzt und normiert sein?
Der Mensch, wie es ihn schon vor tausenden Jahren gab, strebte immer nach Schönheit. Denn der schöne Mensch darf nicht krank sein. Kranke Menschen sind schlechte Genträger, sie sind nicht die optimalen Partner für die Familiengründung.
Schöne Menschen sind gesund, haben ebenmäßige Haut, eine positive Ausstrahlung und straffe Muskulatur. Alles Attribute, die der Schönheit zugeschrieben werden.
In einer Studie hat man Bilder von vielen Gesichtern übereinander gelegt, bis ihre Eigenschaften verschmolzen und einen optischen „Durchschnitt“ ergaben. Die Summe tausender Gesichter. Dieser Mittelwert, dieses Durchschnittsgesicht wurde von den Probanden als schöner eingestuft als die einzelnen Gesichter.
Charakteristische Merkmale, zum Beispiel übermäßig grossen Ohren, lange Nasen, weit auseinanderstehende Augen etc. werden als Ausreißer und als weniger schön wahrgenommen. Warum? Weil wir als „gut“ empfinden woran wir gewöhnt sind, was uns bekannt und sicher erscheint.
Nun hat sich das Schönheitsideal im Laufe der Zeit geändert. In früheren Zeiten, als noch Hungersnot herrschte, war die wohlgenährte Frau das Ideal der weiblichen Schönheit.
Wer wohlgenährt war, hatte genug Reserven, eine Geburt zu überstehen. Auch stand eine gewisse Leibesfülle für Status, da sich nur Reiche den Luxus erlauben konnten, so viel zu essen, wie sie wollten.
Heute finden wir das andere Extrem: Je dünner, umso besser! Essen, so viel sie will, kann heutzutage jede. Nur die Willensstarke kann verzichten. Fettleibigkeit gilt als Masslosigkeit. Wer fett ist, ist ein Opfer der heutigen konsumwütigen Welt. Wer hingegen schlank ist, hat sich diesem Sog entzogen. Sie ist schön.
Wir können also von einer Paradoxie der gesellschaftlichen Werte sprechen. Einerseits stellt sie den Konsum in den Mittelpunkt, definiert den Menschen als etwas, das konsumieren muss, anderseits entwürdigt sie die Menschen, die diesem Trend folgen; speziell jene Menschen, die diesem Trend im Bereich Nahrung folgen, und ehrt diejenigen, die verzichten, nicht konsumieren, also schlank bleiben.
Adipostitas, also Fettsucht ist ein Thema, dass unsere Gesellschaft arg belastet, und eine Problematik, die sich je länger, je mehr zuspitzt. Wir selber tragen die Schuld, da wir eine Gesellschaft begründet haben, deren oberstes Ziel das Konsumieren ist.
Wir selber können Adipostitas nur bekämpfen, wenn wir die gesellschaftlichen Werte verändern. Doch dazu ist die Lobbyarbeit der Gegner, die von unserer Konsumhaltung masslos profitieren, zu gross. Wir können den Menschen nicht sagen: „Kauft, soviel ihr wollt. Kauft Fernseher, Kleider, Elektrogeräte, aber bei der Nahrung, bitte, da sollt ihr massvoll sein.“ Das wäre unglaubwürdig.
Auch wenn wir durch die heutige Konsumhaltung viel gewonnen haben, wie Wohlstand, Produktdiversifikationen und eine hohe Lebensqualität, zeigt das Thema “Adipostitas“, dass diese Haltung auch Nachteile mit sich zieht.
Um zurück zum Thema Schönheit zu kommen: Es scheint regelrecht so, dass die Suche nach Schönheit, die Schönheitssuche zu einem Schönheitswahn ausgeartet ist. An Medien lassen sich die momentanen gesellschaftlichen Werte gut ablesen. Und was sehen wir in den Medien? Dürre, perfekt gestylte, verführerisch blinzelnde, meist kaukasische Mädchen, die Produkte präsentieren, die keiner braucht. Punkt. Mehr nicht.
Dies ist eigentlich die Zusammenfassung, die Reduktion auf das Wesentliche der heutigen gesellschaftlichen Werte. Und wir Menschen, wir lesen die Zeitschriften, wir schauen fern, wir begegnen in unserem alltäglichen Leben all den Werbeplakaten; wir sind also diesen degenerierenden gesellschaftlichen Misswerten ausgesetzt. Tag für Tag.
Schon lange haben Marketingfachleute herausgefunden, dass man den Leuten nicht einfach ein Produkt verkaufen kann. Unsere Grundbedürfnisse sind schon lange gedeckt. Der eigentliche Hauptnutzen eines Produktes ist sekundär geworden.
Vielmehr müssen Marketingfachleute, um ein Produkt erfolgreich auf den Markt zu bringen, an individuelle Selbstverwirklichungsbedürfnisse appellieren. Und die sind, neben Gesundheit (Functional Food) und Jugendlichkeit vor allem eines: Schönheit. Die Schönheitsbranche, mit all ihren Produkten wie Cremes, Make-up und plastischer Chirurgie ist ein Milliardengeschäft! Und wir alle sind auf der Suche nach Schönheit.
Studien belegen, dass schöne Menschen nicht nur als sympathischer und gesünder eingeschätzt werden, man hält sie auch für klüger und erfolgreicher. Schönheit ist also nicht nur ein Faktor, der die Partnersuche erleichtert, sondern eine Dimension, die unser ganzes Leben bestimmt. Schöne Menschen werden eher eingestellt und leichter befördert. Damit ist die folgende Frage auch schon beantwortet: Wie viel Schönheit braucht der Mensch, um glücklich zu sein?
In der heutigen Gesellschaft lautet die gefühlte Antwort: So viel wie nur möglich! Oder wie die Zigarettenmarke Winston einmal in einer Werbekampagne propagierte:
„No need to be perfect, if you look good.“
]]>Für lesbian chic plaudern beide über ihr Berufs- und Privatleben aus dem Nähkästchen. Wie lebt es sich als lesbisches Elternpaar mitten in der ostdeutschen Provinz? Was lehrt das Anderssein uns über das aktuell vorherrschende Frauenbild? Und was bedeutet eigentlich Gleichberechtigung?
Nicole: Das ist mir zu einseitig, eine Kategorisierung. Ich kann bis zum heutigen Tag damit nichts anfangen. Zwar empfinde ich das nicht als Schimpfwort, aber ich sehe mich selbst als Frau. Wenn es einen Begriff braucht für Frauen, die Frauen lieben, dann ist es eben „Lesbe“, aber ich selbst empfinde mich nicht so.
Tanja: Ich schon gar nicht. (lacht) Eher habe ich ein anderes Problem. Weil ich mit einem Mann verheiratet war, frage ich mich: Wenn wir in Kategorien denken, bin ich denn wirklich eine Lesbe? Für mich ist das Wort oftmals negativ konnotiert. Wieso? Es wird oftmals negativ verwendet, Frauen werden als Kampflesben bezeichnet. Das assoziiert ein Bild, dem wir beide rein äußerlich überhaupt nicht entsprechen.
(ausgiebiges Lachen)
Tanja: Schön, dass du das ansprichst. Da ich schon einmal verheiratet war, bin ich mir dessen bewusst, dass so eine Unterschrift keine Garantie für irgendetwas ist. Bis 2017 hat Nicole sich zurecht darauf berufen, dass sie keine Pseudo-Gleichheit wolle, die uns zwar die staatlichen Pflichten einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aufzwingt, uns aber nicht die Rechte einer richtigen Ehe zugesteht.
Nun hat sich diese Situation 2017 geändert, weshalb ich ab und zu schon vorsichtig nachfrage, ob wir an dem Status nicht etwas ändern sollten.
Bei aller Negativerfahrung bin ich trotzdem so konservativ eingestellt, dass ich auch an die Absicherung denke, die mit einer Ehe im Alter einhergeht. Was die Kinder betrifft, ist die Situation viel schwieriger.
Nicole: Die sind übrigens beide sehr dafür. Aber ich habe es eigentlich schon immer überflüssig gefunden, mir von Staatswegen eine Absolution meiner Beziehung zu holen. Natürlich sind all die rationalen Gründe, die dafürsprechen, nicht vom Tisch zu wischen. Trotzdem finde ich es schöner, wenn man zusammenbleibt, obwohl die Trennung kein Geld kosten würde.
Tanja: Erstaunlich wenig. Bevor ich auf die Reaktionen meines Umfeldes eingehen konnte, musste ich mich zuerst einmal mit mir selbst auseinandersetzen und mit dem, was in mir vorging. Am Anfang hat es mich total überfordert, dass Privates und Schulisches plötzlich zusammenkam.
Eigentlich gab es nur eine Person in meinem Freundeskreis, die damit überhaupt nicht umgehen konnte – meine beste Freundin. Sie hat sich sehr eigenartig verhalten und das hat unsere Freundschaft sehr belastet. Vielleicht wären wir früher oder später sowieso verschiedene Wege gegangen. Aber letztendlich kam der Bruch durch Bemerkungen wie: „Du hast ja jetzt eine neue Freundin.“
Diese Idee, dass sie sich von Nicole ersetzt fühlt, hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Ich erinnere mich an unser erstes gemeinsames Treffen zu dritt. Wir wollte ein bisschen Zeit gemeinsam verbringen, auch gemeinsam mit den Kindern, aber die Begegnung war letztendlich sehr komisch und unangenehm. Damit hatte ich lange zu kämpfen.
Sie hat auch mal gesagt: „Jetzt, wo du mit einer Frau zusammenbist, können wir gar nicht mehr über unsere Ehemänner lästern.“
Nicole: Und das, obwohl sie eine sehr intelligente Frau ist.
Tanja: Vielleicht ist das nur das Resultat großer Unsicherheit. Sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.
Meine Mutter wollte kein Problem daraus machen und hat zu schnell von sich erwartet, das zu akzeptieren. Es gab eine unschöne Episode, in der unbewusst alles mitschwang, was sie sich wahrscheinlich selbst verboten hatte, zu äußern. Sicher hatte sie auch Angst, weil meine Ehe gerade zu Ende war und sie nicht wusste, was mit den Kindern werden sollte. Und sie konnte sich nicht vorstellen, wie das gehen soll, eine Partnerschaft mit einer Frau zu haben. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätte sich eingestanden, wie unsicher und überfordert sie tatsächlich damit war.
Tanja: Da muss ich zuerst an meine Tochter denken. Sie (damals 5) saß auf der Schaukel, Nicole und ich waren noch gar nicht zusammen – wahrscheinlich spüren Kinder das, ohne zu wissen, was es ist. Nicole und ich schoben sie auf der Schaukel an, als sie fragte: „Nicole, kannst du nicht unser neuer Papa sein?“ Das hat mich erstmal komplett überrumpelt.
Nicole: Mir fiel auch nichts dazu ein.
Tanja: Das war lange immer wieder Thema. Mein Sohn, der „Große“, war erstmal argwöhnisch. Ob die mit dem Metallbaukasten so umgehen kann wie Papa? Er hat uns genau beobachtet, sich auch einmal zwischen uns geschoben. Aber dadurch, dass wir es nie als etwas Außergewöhnliches thematisiert haben, war es eben so. Etwas Selbstverständliches.
Nicole: Irgendwann haben die Kinder natürlich ein Alter, in dem sie mehr hinterfragen. Wir haben darüber gesprochen und gut. Tanjas Sohn hatte deswegen in der Schule nie schlechte Erfahrungen. Ihre Tochter kam in der sechsten Klasse einmal todunglücklich nach Hause, weil jemand gesagt hatte: „Deine Mutter ist eine Lesbe!“ Und sie war irritiert, weil es für sie keinen Unterschied machte, ob Mann oder Frau. Meine Beziehung zu den Kindern ist schließlich sehr harmonisch – im Rahmen dessen, was die Pubertät gerade zulässt.
Tanja: Was uns allen dagegen immer wieder Unbehagen bereitet, ist der rechtliche Status. Das, was Nicole emotional für die Kinder ist, kann juristisch nicht legitimiert werden. Sie kann die Kinder nicht adoptieren, weil ich mir das Sorgerecht mit meinem Ex-Mann teile und um das zu ändern, müsste der schon sehr viel Mist bauen. Selbst wenn wir heiraten würden, würde das die Kinder vor dem Gesetz nicht zu Nicoles Kindern machen.
Nicole: Ich habe Null Rechte was die Kinder betrifft, obwohl ich seit mittlerweile fast acht Jahren mit ihnen zusammenlebe und sie zu mir, denke ich, inzwischen eine engere Bindung haben als zu ihrem biologischen Vater. Aber wenn Tanja morgen etwas zustoßen würde, könnte ich höchstens noch ihre Sachen zusammenpacken.
Tanja: Wir haben uns vom Anwalt beraten lassen, aber auch der sagt, wir haben was das betrifft schlechte Karten. Ich könnte höchstens eine handschriftliche Verfügung aufsetzen, in der ich darauf hinweise, dass Nicole seit vielen Jahren ein feste Bezugsgröße im Leben der Kinder ist. Aber das wäre nur ein Wunsch, den weder der Kindsvater noch das Jugendamt respektieren müssten.
Nicole: Zum Glück ist das Problem nur juristischer Natur, da Tanjas Ex-Mann sich sehr fair verhält.
Nicole: Nein. Das wäre albern. Begriffe, Namen, Etiketten, das ist unwichtig. Die Kinder haben eine Mama, sie haben auch einen Papa, und ich ersetze keine dieser Funktionen. Wir sind Freunde – wenn ich Glück habe, empfinden das die Kinder auch so – und haben eine besondere Beziehung. Mehr kann und muss ich nicht erwarten und das ist gut so.
Tanja: Aber meine Tochter betont immer wieder: „Nicole, du bist die zweite Mama.“
Nicole: Nein. Wenn wir dort zusammen aufgetaucht sind, haben wahrscheinlich alle sich gefragt: „Wer ist die Frau, mit der Tanja da kommt? Wessen Mutter ist das?“ Das ist ein gesellschaftliches Problem, dass wir nicht wirklich als Paar wahrgenommen werden.
Tanja: Selbst im letzten Urlaub, den wir mit den Kindern verbracht haben. Wir haben einen jungen Mann kennengelernt, wie sich im Nachhinein herausstellte eine Art italienischer VIP, der mich fragte: „Wie gehört ihr eigentlich zusammen? Ist der Junge dein oder ihr Sohn?“ Darauf sagte ich: „Er ist unser Sohn.“
Er war sehr überrascht, dass das bei uns in Deutschland geht: Lehrerin und lesbisch sein. Und er meinte, er wünsche sich sehr, dass die italienische Gesellschaft sich mehr dafür öffnen würde. Man merkt, dass in Italien anders darüber gedacht wird. Als wir abends in Sardinien Hand in Hand gingen, haben alle sich umgedreht und geguckt. Das passiert uns hier nicht.
Nicole: Ist mir zu 100% gleichgültig. Ich achte ohnehin nicht darauf und bin, was das betrifft, relativ ignorant.
Tanja: Ich habe mich anfangs schon gesorgt, wie es sich denn anfühlen würde mit einer Frau in der Öffentlichkeit. Aber wenn man es nicht selbst zum Problem macht oder als besonders empfindet, sammelt man auch weniger Aufmerksamkeit. Und letztendlich ist es mir egal, wie andere gucken. Es hat uns eher amüsiert, dass einige unserer Kollegen überhaupt nicht deuten konnte, was zwischen Nicole und mir lief.
Nicole: Es war schon niedlich, als die Kollegen es dann langsam und wirklich seeehr langsam verstanden hatten und nicht wussten, wie sie sich uns gegenüber verhalten sollten.
Nicole: Nein, noch nie. Da mag daran liegen, dass wir es nach außen nicht thematisieren. So, wie ich von keinem Menschen erwarte, dass er vordergründig zuerst über seine Sexualität spricht.
Das ist immerhin das einzige, worin ich mich von Meier, Müller, Schulze möglicherweise unterscheide. Ich will ja auch nicht wissen, ob irgendjemand einen Gummifetisch hat. Ich will es nicht wissen! Weil das nicht unser Berührungspunkt sein wird. Mir ist wichtig, wie jemand denkt, welche Ansichten er hat, und nicht seine sexuelle Orientierung. Genauso wenig will ich darauf reduziert oder darüber definiert werden.
Nicole: Keine Ahnung, mir gegenüber beschreibt mich niemand.
Tanja: Wir haben eine Kollegin mit dem gleichen Nachnamen und um sie zu unterscheiden, hat man eher darauf zurückgegriffen, zu sagen: die junge oder die alte, die mit den kurzen und die mit den langen Haaren. Aber es ist nie jemand auf die Idee gekommen, zu sagen: die lesbische oder die heterosexuelle.
Nicole: Darüber werden wir nicht definiert, es juckt keinen und um das zu thematisieren ist das hier auch der falsche Raum.
Nicole: Nicht bewusst. Natürlich verstecken wir uns nicht und jeder weiß, dass wir ein Paar sind. Darum meine ich, inzwischen beobachtet zu haben, dass es mehr Mädchen gibt, die kein Geheimnis mehr daraus machen, was sie sind.
Tanja: Das merken wir meistens erst im Nachhinein. Es gab Schülerinnen, denen hat es Mut gemacht, dass wir zwei zu unserer Partnerschaft stehen und kein Problem daraus basteln, sondern vorleben, dass es ganz normal und gut sein kann. Sie wissen, dass wir sie auf einer anderen Ebene verstehen.
Nicole: Wir leben heute in einer anderen Zeit. Ein bisschen beneide ich die Mädchen darum, dass sie heute mit viel mehr Akzeptanz rechnen können. Während meines Studiums hatte ich einen schwulen Freund, daher haben wir das schon thematisiert, bevor ich mir meiner eigenen Vorlieben klar war. Allerdings wird die Homosexualität von Frauen nicht so beziehungsweise anders wahrgenommen als die Homosexualität von Männern. „Schwul“ ist ein Schimpfwort, „Lesbe“ nicht so direkt.
Das hat natürlich auch etwas mit Ernstnehmen zu tun. Weibliche Sexualität wird eben nicht so ernstgenommen wie männliche. Und manchen Mann turnt es wahrscheinlich noch an, wenn er sich vorstellt, was zwischen Frauen läuft. Einerseits ist es bequem, Windschattensegler zu sein, andererseits ist es eine Missachtung, die nicht in unsere aufgeklärte Gesellschaft passt.
Tanja: Erinnere dich an San Francisco.
Nicole: Ja, wir waren im, wie wir dachten, homosexuellen Mekka schlechthin. Im Castro Viertel in San Francisco. Das ist so schwul, dort ist selbst der Zebrastreifen regenbogenfarben. Aber es ist eben männlich homosexuell. Frauen fanden dort gar nicht richtig statt.
Tanja: Wo man auch hinsieht, in den Schaufenstern, auf den Straßen, die Clubs: Männer.
Nicole: Gar nicht. Mein Gehirn funktioniert nicht anders, nur weil ich lieber mit einer Frau zusammenlebe.
Nicole: Ich finde, Frauen sind an manchen Stellen selbst schuld, dass sie im 21. Jahrhundert noch so schlecht dastehen. Warum stehen sie so schlecht da? Erstens, weil sie sich nicht einig sind. Und zweitens, weil immer noch zu viele Frauen in ein Heimchen- und Prinzessinnen Getue fallen, sobald ein Prinz auf der Matte steht. Dagegen bin ich einigermaßen immun, weshalb ich das aus einer anderen Perspektive betrachten kann.
Ich fürchte, Männer können kumpelhafter netzwerken als Frauen, weil Frauen ab einer gewissen Machtstruktur dazu neigen, sich in Furien zu verwandeln. Viel sinnvoller fände ich es, wenn wir uns zusammenschließen und uns unserer mentalen Stärken bewusstwürden. Dann hätten wir vermutlich viel bessere Unternehmerqualitäten und die Frauenquote wäre einfacher zu erreichen.
Das beste Beispiel, und dafür bewundere ich diese Frau, ist Angela Merkel, schließlich hat sie mehr erreicht als sonst jemand. Politisch sehe ich mich allerdings eher links von der Mitte und das wäre noch genauso, wenn ich mit einem Mann zusammenlebte. Wie ich mich positioniere, ist eine Frage des Intellekts und welcher Weltanschauung ich mich anschließe.
Nicole: Doch, aber dann gehört sie erstmal therapiert. Wie traurig ist sowas im 21. Jahrhundert? Rein formell haben wir Frauen alle Rechte, die auch Männern zustehen. Wir bedienen uns derer nur nicht. Wenn sich eine Frau freiwillig in die Küche-Kinder-Kirche-Rolle schieben lässt, hat sie ein Problem.
Tanja: Ich habe sogar das Gefühl, dass wir uns in der Beziehung wieder etwas zurückentwickeln. Wir fragen uns nur, warum. Allein wegen der derzeitigen Rentensituation halte ich es für Frauen für sehr gefährlich, sich abhängig zu machen. Wenn wir allein Ost- und Westdeutschland betrachten. Wie viele Mütter müssten genau das ihren Töchtern beibringen: Geh nicht in die K-K-K Hausfrauenrolle, sondern sorge für dich selbst.
Früher haben sich viele darauf ausgeruht, dass Männer ihren Frauen einen Unterhalt zahlen mussten, was sicher ungerecht zulasten des Mannes war. Aber das Unterhaltsrecht ist verändert worden, übrigens nicht zugunsten der Frau, und was bleibt ist Null Wertschätzung.
Nicole: Wenn Frauen sich in so eine Rolle drängen lassen, sind sie selbst schuld, denn das ist aktuell besser geregelt als noch vor dreißig Jahren: Männer haben inzwischen die Möglichkeit, sich Elternzeit zu nehmen, sich um die Kinder zu kümmern und es gibt genügend Männer, die das mit Freude und Selbstverständlichkeit machen. Die Kinder in ihren frühen Jahren aufwachsen zu sehen, war lange den Müttern vorbehalten, was nicht fair ist. Zuallererst sind wir Menschen. Väter sind für ihre Kinder ebenso wichtig, wie die Mütter es sind, und wenn jeder danach handeln würde, gäbe es dieses Ungleichgewicht bei der Rente nicht.
Tanja: Leider sehe ich auch an Frauen in meinem Umfeld, die spät Kinder bekommen haben, dass sie nicht loslassen, das Kind nicht abgeben können. Schwangerschaft und Geburt, geht auf das Konto der Frau, beim Stillen haben wir schon die Wahl.
Ich frage dann: „Warum bist du dir das nicht wert? Warum musst du jeden Abend bei dem Kind sitzen, obwohl das auch mal der Vater übernehmen könnte?“ Das Problem ist oftmals die Frau, nicht der Mann. Sie kann oder will ihn nicht machen lassen. Warum? Ich habe es sehr genossen, zwischendurch ein bisschen Freiheit für mich zu haben. Ein herrliches Gefühl, allein im Kino zu sitzen. Ich muss es mir wert sein, mein Eigenleben anzuerkennen.
Nicole: Und sich selbst manchmal nicht so wichtig nehmen. „Keiner kann das so gut wie ich, weil ich die Mutti bin.“
Tanja: Viele unserer Schülerinnen haben Träume, die ich nicht nachvollziehen kann. Klar, sie sehnen sich nach einer gewissen Sicherheit. Aber dass sie sich schon jetzt in einer Doppelrolle sehen, sich darauf einstellen, auf Arbeit zu gehen und den Haushalt zu schmeißen und die Kinder zu erziehen – mit einer Selbstverständlichkeit, das erschreckt mich.
Nicole: Ja, und zwar in einer klaren Rollenverteilung. Ich denke manchmal, die 70er Jahre waren völlig umsonst. Die gesamte Emanzipationsbewegung löst sich in Luft auf. Ich glaube, viele Mädels fühlen sich eher peinlich berührt, wenn wir sie dazu auffordern, selbstbewusst aufzutreten und ihre Meinung klar zu kommunizieren. Wenn ich in Geschichte von den 70ern spreche, der sexuellen Befreiung, der Pille und dass Frauen sich weniger von Männern abhängig machten als Jahre zuvor, wissen sie entweder gar nicht, was ich meine oder die Denkweise kommt in ihrem Kosmos einfach nicht vor.
Tanja: Andererseits werden die Schulen in der Umgebung hauptsächlich von Frauen geleitet. Der Schülerrat besteht fast nur aus Mädchen. Und trotzdem begegnet mir dieser konservative Lebensentwurf immer wieder, obwohl es auch anders geht. Wieso?
Nicole: Weil sie dieses kleine bisschen Sicherheit festhalten wollen.
Tanja: Hast du nicht mal vor Kurzem gesagt, dass eine in mich verliebt sei?
Nicole: Kann sein. Ich kriege davon nichts mit.
Tanja: Wahrscheinlich sind es eher die Jungs in der fünften Klasse, die sich mal in eine Lehrerin verlieben.
Tanja: Nur die Erkenntnis, dass die Beziehung zwischen zwei Frauen nicht leichter oder mit weniger Reibungspunkte behaftet ist, bloß weil sie Frauen sind. Man verliebt sich tatsächlich in den Menschen. Ich musste mir selbst die Frage stellen, was wäre, wenn Nicole aus irgendeinem Grund nicht mehr da wäre. Wäre ich dann definitiv noch lesbisch? Weder würde ich danach explizit nach einer Frau noch nach einem Mann suchen. Wobei ich die Frage verstehen kann. „Bist du es? Oder doch nicht?“ Was bin ich eigentlich? Ich höre auf meinen Bauch und mein Herz, ohne dabei Gedankenkonstrukte zu entwickeln.
Die Namen wurden aus Respekt vor der Privatsphäre geändert.
]]>„Seit der ersten Ausgabe 1998 hat sich einiges geändert am lesbischen Leben“, so Claudia Gehrke, Verlegerin vom konkursbuch Verlag im Vorwort der aktuellen Ausgabe. „Es sind Geschlechter hinzu gekommen und sie sind nicht mehr so eindeutig. Die Schamhaarmode hat sich gewandelt. SM gibt es immer noch. Lesben lernen sich nunmehr in Internetportalen kennen. Das Schwere und das Süße der Liebe verändert sich jedoch nicht“.
Alle Texte und Bildwerke widmen sich größtenteils der lesbischen Beziehung, der lesbischen Sexualität oder der lesbischen Identität. Verspielt, dramatisch, dokumentarisch, Fantasiegeschichten, Erlebtes. Umgesetzt in Schrift und Bild spiegelt der Buchband ein weites Spektrum wieder. Dildo Spiele, SM Szenen von Stiefel küssenden Sex-Sklavinnen, Bondage, masturbierende Lesben, Blutbilder. In einem Gruppensex Fotos sind dann auch schon mal Männerhände oder männliche Glatzköpfe mit einbezogen. Das galt vor noch wenigen Jahren als absolutes Tabu in der Lesbenszene. Hier findet Frau alles, was das sexuelle Auge begehrt. Mitunter nichts für Weicheileiterinnen.
Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Thema „Mutter“. Mütterliche Verhältnisse, lesbische Mütter oder die Mütterlichkeit in lesbischen Beziehungen. Ein Extrabeitrag in der Jubiläumsausgabe ist die Ausstellung „Lesbisches Sehen“ im Schwulen Museum, Berlin. Martina Minette Dreier zeigt aneinander gereihte Frauenportraits, umgesetzt in zeichnerischer Form, auf der Suche nach weiblichen Vorbildern in der männlich dominierten Kunstgeschichte. Fotografische Portraits von Butches in ihrer Arbeitskleidung sind von Corinna Harl zu sehen. Die wie aus dem Kontext gerissenen Fotoaufnahmen von einem Boot in Miniatur im Schaukasten oder ein dunkles Zimmer mit Gardinen irritieren. Da sei der verborgene queere Moment zu erahnen, so die Künstlerin Lena Rosa Händle.
Langatmige Geschichten, in denen um den heißen Brei geschrieben wird, scheinen beliebt zu sein. Ausgedehnt auf ganze 24 Buchseiten schreibt Regina Nössler über eine tatsächlich bis zum Ende unerfüllte Liebe zu einer Hetera. Im Stalker Modus wird die Sehnsucht, das sich Hingezogen Fühlen zum gleichen Geschlecht und deren Abweisungen bis ins Detail ausgeführt. Wir Lesben scheinen geduldig und bescheiden zu sein. Da reicht es zuweilen aus, sich in unendlichen Fantasien zu flüchten, sich mit minimalen Zuwendungen zufrieden zu geben. Eine andere Geschichte spielt in Mallorca, in der eine Frau ein Eisentor schweißt. Seitenweise wird in Details geschwelgt, bis das langersehnte Highlight einer körperlichen Begegnung stattfindet, immerhin. Selbige Schreiberin vertieft sich in einer anderen Fantasiegeschichte in angehäuft brutaler Wortwahl gepaart mit Sexualität. Mutiges Zeitzeugnis oder unreflektiert befreiend?
Je mehr Texte ich lese, umso trauriger werde ich. Gewalt, unerfüllte Sehnsucht, Alkohol, Drogen, Suizid, Mann-Sein-Wollen, gesellschaftlich ungelöste Konflikte. Was ist nur aus uns Lesben geworden? Schwelgten wir nicht einst in Freiheit und wählten selbstbestimmte Wege? Schmückten unser Leben mit Freigeist? Genau das suggeriert das Titelbild des ‚Mein lesbisches Auge 18‘. Zwei nackte Mädels, offen lächelnd, glücklich zur Betrachterin schauend, befreit, sich sanft in den Armen haltend. Die Langhaarige erscheint weiblich, die Kurzhaarigere eher androgyn. Im Hintergrund eine floristisch anmutende rosarote Tapete. Trügt der Schein?
Lesbenfotos gepaart mit Knebelspiele, Faust Eindringen, Penisdildos. Ja natürlich, Penisfantasien können befreien und gehören dazu. Sind wir Lesben auf dem Umkehrweg zurück zur befreiten Penis-Sexualität? Eine Phase? Ist es der Spiegel der Gesellschaft, in der Gewalt und Isolation zum Alltag gehören? Wer sich selber ein Bild machen möchte, dem empfiehlt lesbianchic „Mein lesbisches Auge 18″, erschienen im konkursbuch Verlag Claudia Gehrke unter der Herausgeberin Laura Méritt.
Wir können untenrum nicht frei sein, wenn wir obenrum nicht frei sind.
Margarete StokowskiIch bin mir dessen bewusst, dass wir Bücher tendenziell gut finden, wenn sie unsere persönliche Meinung enthalten. Vielleicht finde ich Untenrum frei auch deshalb so gut – obwohl es mir gleichzeitig einen Spiegel vorhält, dessen Reflektion ich manchmal lieber ausgewichen wäre. Ganz ehrlich, ich hatte mich für aufgeklärter gehalten. Aber dann kam Margarete Stokowski und bewies: es geht noch viel, viel mehr. Und es muss auch.
In Untenrum frei erzählt die Autorin und Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski, wie es ist, als Mädchen in Deutschland aufzuwachsen. Sie schreibt von unzulänglichem Aufklärungsunterricht, von Gewalterlebnissen, von Sex und von Liebe und zeigt: Noch immer besteht mit Blick auf die Geschlechtergerechtigkeit eine kollektive Schieflage. Für Veränderung im Großen, so Stokowskis These, bedarf es den Blick auf die Details. Ein persönliches, provokantes und befreiendes Buch.
Wenn ich schreibe, ich möchte das Buch allen um die Ohren hauen, schließe ich mich selbst davon nicht aus. Vor der Lektüre von Untenrum frei war mir nicht bewusst, wie tief manche Vorurteile und Rollenklischees noch in meinem Denken und, folgerichtig, in meiner Rhetorik verankert sind. Dieses Buch hat mir eine völlig neue Dimension der Argumentation eröffnet.
Dabei geht es nicht nur um political correctness, sondern um die einfache Tatsache, dass wir Frauen nicht „die zweite Art Mensch“ sind. Dass Sex nichts ist, was parallel von unserer Einflussnahme abläuft. Keine Qualifikation, die Frau mitbringen muss, um auf dem Beziehungsmarkt bestehen zu können.
Anstatt anzuklagen, berichtet Margarete Stokowski freimütig von ihren persönlichen Ängsten, Fehltritten und Traumata. Gepaart mit ihrem unverwechselbaren Humor, passenden Zitaten und Anekdoten entsteht ein authentisches, intellektuell wie emotional ansprechendes Leseerlebnis.
Untenrum frei möchte ich nicht nur weiterempfehlen, ich möchte auf einem Seil balancierend Exemplare auf die Köpfe der staunenden Menge unter mir regnen lassen. Auf dass die Botschaft auch in den Köpfen ankommt! LESEN! JETZT!
Die Zeit hat Untenrum frei wie folgt kommentiert: „Der neue Feminismus hat hier einen coolen Auftritt: witzig und böse. Macht das Thema genussvoll für alle Seiten.“
Am liebsten würde ich eine ganze Abhandlung darüber schreiben, wieso dieses Buch weder witzig noch böse ist! Es enthält keinen „Witz“, macht sich über niemanden lustig und regt auch nicht dazu an, belacht zu werden. Stokowskis Schreibstil enthält Humor – das ist ein himmelweiter Unterschied! Und eine Stelle, die das Attribut böse verdient hätte, konnte ich auch nicht finden. (Belehrt mich gern eines Besseren.)
Es ist schonungslos. Persönlich. Und dass ich beim Lesen lachen musste, ging nicht auf Kosten anderer.
Das Zitat soll das Buch bewerben und ihm den Anschein locker-fluffiger Publikumstauglichkeit geben. Aber das hat Untenrum frei nicht nötig. Ebenso wenig, Feminismus für irgendeine Seite genussvoll zu machen.
Denn am Ende steht man als Leser/in vor der Erkenntnis: es gibt sie nicht, die beiden Seiten. Die beiden voneinander getrennten Lager, zwischen denen es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten gibt.
Wir sind Menschen. Und wir brauchen keine Labels.
Wer sich die Amazon Bewertungen durchliest, merkt: Untenrum frei polarisiert. Entweder man liebt oder man hasst es.
Vertreter letzterer Ansicht werfen der Autorin gern Unwissenschaftlichkeit, persönliche Frustration und Haarspalterei vor. Sei doch alles nicht so schlimm, sexuelle Gewalt gegen Frauen komme nur in Einzelfällen vor und sich über Rhetorik zu unterhalten sei ohnehin überflüssig weil Sexismus ja „gar nicht so gemeint“ sei. Margarete Stokowski sei eine PR-Figur des Feminismus, die nur herummeckere anstatt Lösungsvorschläge zu bringen.
Da das Buch selbst ausreichend Argumente enthält, um diese Kritik zu entkräften, gehe ich darauf nicht weiter ein. Viel interessanter finde ich die Frage: Ist Feminimus Wissenschaft? Hätte Untenrum frei eine vor Fachtermini strotzende Abhandlung werden sollen, um ernstgenommen zu werden? Oder liegt es in der Natur der Sache, dass Persönliches auch politisch sein kann?
Verratet uns gern in den Kommentaren, wie ihr darüber denkt!
Ich finde, Untenrum frei ist viel mehr als „nur“ eine Lanze für den Feminismus oder „nur“ der Erfahrungsbericht einer einzelnen Frau. Es ist eine tiefgreifende und dabei leicht verständliche Gesellschaftsanalyse. Margarete Stokowski sprengt und erweitert den Rahmen der Möglichkeiten, den wir uns selbst gebastelt haben.
Mit der ISBN: 978-3499631863 findest Du Untenrum frei ganz einfach in der Buchhandlung Deines Vertrauens.
Anmerkung: Wir danken der Autorin sowie dem Rowohlt Verlag herzlich für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares. Daran war nicht die Bedingung einer positiven Einschätzung geknüpft und wir ziehen keinen finanziellen Gewinn daraus.
Luisas freie Meinung zu diesem und anderen Büchern lest ihr außerdem auf lovelybooks.
Bei der Frage, was sexuelle Orientierung genau bedeutet, wissen viele sofort eine Antwort: Es gibt heterosexuell, homosexuell und bisexuell. Bei näherem Hinsehen sind da allerdings noch viele weitere Begriffe, z.B. queer, pan, asexuell, Butch, Femme und Tomboy. Aber was genau bedeutet das? Ist eine Lesbe nicht einfach nur eine Lesbe?
In diesem Artikel möchte ich dir nun einige von einer Unmenge Begriffen zum Thema Sexuelle Orientierung erklären.
Homo, Bi, Hetero – was gibt es denn noch?
Homo-, Bi- und Heterosexualität gehen alle davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt, Frauen und Männer, zwischen denen sich Paare bilden können. Allerdings gibt es auch viele Personen, die sich nicht (ausschließlich) als Frau oder Mann definieren, sondern sich selbst zum Beispiel zwischen weiblich und männlich sehen oder sich dort gar nicht einordnen möchten und können. Deshalb bezeichnen sich heute viele als pansexuell . Pan- oder omnisexuell bedeutet soviel wie alles liebend. Pansexuellen ist es egal, ob ihr Gegenüber ein Frau, ein Mann oder jemand zwischen den Geschlechtern ist. Sie lieben den Menschen dahinter und beziehen sich nicht auf ein spezielles Geschlecht, wie zum Beispiel lesbische Frauen oder heterosexuelle Menschen.
Queer
Queer ist ein Begriff, der auf viele verschiedene Arten benutzt wird. Queer kommt eigentlich aus dem Englischen und wurde früher als Schimpfwort gegen homosexuelle Menschen verwendet. Die Community hat sich das Wort allerdings zu eigen gemacht und nutzt es jetzt ganz bewusst als Selbstbezeichnung. Zum einen wird Queer als allgemeine Bezeichnung für alle Personen, die sich nicht als heterosexuell bezeichnen, benutzt. Inzwischen gibt es zum Beispiel statt Schwulen – und Lesbenpartys einfach queere Partys, die neben Lesben und Schwulen auch Bisexuelle, Trans*, Intersexuelle, Pansexuelle und alle anderen, die sich nicht als heterosexuell bezeichnen, mit einschließen möchten.
Zum anderen wird queer auch oft als Selbstbezeichnung verwendend, wenn andere Begriffe, wie zum Beispiel lesbisch, nicht mehr ausreichen. Auch ich identifiziere mich oft als queer, da ich weiß, dass ich mich nicht nur in Frauen, sondern zum Beispiel auch in Trans*Männer verlieben kann. Das Schöne an queer ist, dass es jede Person für sich selbst definieren kann. Für jeden bedeutet queer ein bisschen was anderes.
Asexuell
Asexuelle sind Menschen, die gar kein oder nicht so ein starkes sexuelles Interesse haben. Für viele Asexuelle ist die emotionale Verbindung sehr viel wichtiger und intimer als eine sexuelle Verbindung. Auch sie können lesbisch, bi, schwul, queer, pan oder heterosexuell sein. Falls dich das Thema interessiert, kannst du mal bei AVEN vorbeischauen.
In der Szene fallen häufig Begriffe wie Butch, Femme oder androgyn. Was es damit auf sich hat, versuche ich dir hier zu erklären:
Androgyn
Als androgyn bezeichnen sich Personen die weder weiblich noch männlich aussehen (möchten), sondern lieber als nicht einordbar durchgehen. Also zum Beispiel eine Frau, die auch mal für einen Mann gehalten wird, je nachdem, wie sie sich heute gestylt hat.
Butch
Als Butch bezeichnen sich oft lesbische Frauen, die nach außen eher männlich wirken. Damit entsprechen sie eher dem Klischee einer Lesbe (kurze Haar, Baggypants) und sind somit in der Gesellschaft und auch in der queeren Szene als lesbische Frauen sichtbarer.
Femme
Eine Femme ist eine lesbische/queere Frau, die nach außen hin oftmals eher dem gesellschaftlichen Bild von weiblich entspricht. Damit ist sie in der queeren Community und auch in der Gesellschaft als lesbische Frau nicht so sichtbar wie eine Butch und muss häufig mehr um Anerkennung kämpfen. Aber nicht alle lesbischen Frauen mit langen Haaren sind gleich Femmes. Wenn du mehr zu dem Thema wissen willst, kann ich dir das Buch „Femme! radikal – queer – feminin“ sehr ans Herz legen.
Tomboy
Junge Mädchen, die vor der Pubertät eher jungenhaft auftreten, werden oft als Tomboys bezeichnet. Meistens verschwindet das Tomboy-Sein mit dem Einsetzen der Pubertät, da hier der gesellschaftliche Druck auf Mädchen besonders groß ist, dem vorgegebenen Bild einer Frau entsprechen zu lernen. Manchmal kommt das Tomboy sein nach der Pubertät aber wieder zurück und kann deshalb auch als Genderausdruck gelten.
Schubladen vs. Labels
Beim Durchlesen hast du dich vielleicht gefragt, wieso wir extra viele Begriffe einführen, durch die wir uns beschreiben. Ist es denn nicht schon anstrengend genug, ständig von der Gesellschaft und unseren Mitmenschen in Schubladen gesteckt zu werden? Wieso brauchen wir dann noch mehr davon? Für mich gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Schubladen und Labels. Schubladen sind das, was uns durch andere und gesellschaftliche Strukturen von außen aufgezwungen wird. Labels kannst du dir hingegen selber frei aussuchen und so oft ändern, wie du möchtest. Wenn du zum Beispiel in einer Beziehung mit einer Frau bist und du von außenstehenden Personen als „lesbisch“ abgestempelt wirst, ohne, dass du zuvor gefragt wirst, wäre lesbisch eine Schublade. Unabhängig davon, ob du dich selbst als lesbisch bezeichnest oder nicht. Vielleicht identifizierst du dich aber gar nicht als lesbisch, sondern viel mehr als pansexuelle Frau. Dann wäre „pansexuell“ dein Label, also eine Bezeichnung, die du dir komplett frei ausgesucht hast und über die nur du bestimmst.
Alles schön und gut, aber – brauchen wir das wirklich? In der queeren Szene werden Labels nicht nur positiv gesehen und oft kritisiert. Viele sagen, dass es auf die einzelnen Personen einen großen Druck ausübt, sich immer in extra Kategorien ordnen zu müssen. Denn viele möchten einfach nur als die Person wahrgenommen werden, die sie sind. Ganz ohne Labels und extra Bezeichnungen. Auch mir fällt es oft schwer, mich für ein oder mehrere Labels zu entscheiden. Obwohl es so viele unterschiedliche Begriffe gibt, scheint keiner davon wirklich auszureichen. Oft habe ich auch keine Lust mich zu entscheiden und möchte einfach nur ich sein. Trotzdem gebe ich mir selbst immer wieder die Labels lesbisch und queer. Einfach, weil es dadurch leichter ist, Personen kennen zu lernen, denen es ähnlich geht wie mir. Meine Labels geben mir dadurch eine Community und auch die Möglichkeit mich selbst und meine sexuelle Orientierung in wenigen Worten zu beschreiben. Und das wiederum gibt mir Kraft, mit alltäglichen Diskriminierungen umgehen zu können. Für mich sind Labels mehr Empowerment als erzwungene Begriffe.
Ob du dir selbst bestimmte Labels geben möchtest oder nicht, ist aber deine ganz persönliche Entscheidung. Wenn du keinen Bock auf Labels hast, dann lass es einfach. Falls du aber nach Worten suchst, die zumindest einen Teil deiner Persönlichkeit beschreiben, hast du durch diesen Artikel vielleicht einige Ideen bekommen, wie diese Bezeichnungen aussehen können.
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Wie stehst du zu dem Thema? Gibst du dir selber Labels oder findest du das für dich überflüssig?
Schreibs in die Kommentare!
Alles Liebe,
deine Annie
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Annie ist Bloggerin auf Rainbowfeelings, dem Blog für Lesben und Frauen, die Frauen lieben. Auf Rainbowfeelings findest du Tipps zu den Themen lesbische Liebe, Lifestyle und Coming Out.
]]>Allein in Deutschland stecken etwa 48.000 Mädchen und Jungen in Schwierigkeiten. Weil sie sich vor ihren Familien geoutet und damit eine Lawine losgetreten haben, die sie zu erdrücken droht. Schnelle Hilfe ist gefragt, doch wie kann diese aussehen? Eine Situationsanalyse.
Das Coming-Out vor den Eltern ist oft das Schwierigste, sagt man. Über Wochen, Monate, manchmal sogar über Jahre hinweg macht man sich ohne Unterlass Gedanken über das Wie, das Wann, das Wo. Spielt im Kopf die verschiedensten Situationen durch und wartet auf einen richtigen Augenblick, den es nicht gibt. In vielen Fällen stellt sich heraus, dass es schlichtweg unnötig war, sich dermaßen fertig zu machen. Weil die Eltern gut reagieren, besser als man es sich hätte träumen lassen. Doch was, wenn genau das Gegenteil eintritt? Wenn deine Eltern plötzlich nicht mehr deine Eltern sind?
Verstoßen – und dann?
Deutschland. Statistiken zufolge leben allein hier etwa 1,2 Millionen (Quelle: www.coming-out-day.de, Stand: 25.09.14) lesbischwule Jugendliche. Das ist gar nicht mal so wenig, zumal die anzunehmende Dunkelziffer deutlich höher anzusiedelnde Zahlen zulässt. So weit, so gut. Eine Zahl, die mich um einiges mehr aufwühlt, ist die vier. Circa vier Prozent* der homosexuellen Jugendlichen werden von ihren Familien verstoßen, ergo auf die Straße gesetzt! Vier Prozent. Auf den ersten Blick könnte man glauben, das wäre nicht viel. Um aber den Statistiken mit ihrem angenommenen Wert von 1,2 Millionen zu folgen, wären das immerhin 48.000 Mädchen und Jungen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung all das verlieren, was gerade im Leben Heranwachsender und junger Erwachsener von so großer Bedeutung ist: die Familie, die Liebe ihrer Eltern und das Zuhause als Zufluchtsort.
„Ich habe keine Tochter mehr!“, waren die letzten Worte, die Lena, über deren Schicksal bereits an früherer Stelle berichtet wurde, von ihrer Mutter zu hören bekam. Eine Welt brach für sie zusammen und wer weiß, wo sie ohne die tatkräftige Unterstützung ihrer Freunde, die ihr dabei halfen, ihre Welt wieder in Ordnung zu bringen, jetzt stünde. Vielleicht ginge es ihr genauso wie zahlreichen anderen verstoßenen Jugendlichen, die, ohne ein Dach über dem Kopf zu haben, auf der Straße landen, zu Alkohol und Drogen greifen oder sich sogar prostituieren um zu überleben. Zwar gibt es laut www.coming-out-day.de bis jetzt keinerlei Studien über den Zusammenhang zwischen Homosexualität und auf der Straße lebenden Jugendlichen. Man geht an dieser Stelle aber davon aus, dass der erhöhte Anteil an Rauswürfen lesbischwuler Heranwachsender einen ansteigenden Prozentsatz auf der Straße lebender lesbischer und schwuler Jugendlicher zur Folge hat. Heißt: wird man von seinen Eltern auf die Straße gesetzt, stehen die Chancen gut, dort auch zu bleiben. Daher gilt: werden lesbischwule Jugendliche von der Familie verstoßen und zu Hause rausgeworfen, ist schnelle und vor allem nachhaltige Hilfe gefragt! Leider sind solche Hilfsangebote in Deutschland rar gesät und auf einzelne Regionen, vornehmlich Großstädte, beschränkt. Meiner Meinung nach fehlt es an Hilfsprogrammen, die sich die Hilfe verstoßener Jugendlicher auf überregionaler und nationaler Ebene auf die Fahne schreiben.
Französische Vorbilder
Bestes Beispiel für eine solche national agierende Organisation ist das französische „Le Refuge“, zu Deutsch „Die Zuflucht“. Der 2003 gegründete Verein setzt sich unter anderem für junge Homosexuelle zwischen 16 und 25 Jahren ein, die von der Familie verstoßen worden, Diskriminierung und Gewalt im nächsten Umfeld erfahren haben und mitunter suizidgefährdet sind. Über das gesamte Land verteilt betreibt „Le Refuge“ fünf Einrichtungen (in Paris, Lyon, Marseille, Toulouse und Montpellier), in denen neben professioneller Beratung, psychologischer Betreuung und tatkräftiger Unterstützung auch Wohnheimplätze zur Verfügung gestellt werden. Dort können die betroffenen und ins Programm aufgenommenen Jugendlichen bis zu sechs Monate verweilen, zur Ruhe kommen, ins Leben zurückfinden und mit Hilfe der Mitarbeiter des Vereins ihre Zukunft neu planen. Den jungen Leuten, die Beschimpfungen, Gewalt, Diskriminierung und Gewalt erfahren haben, wird im Rahmen des Programms von „Le Refuge“ geholfen, wieder auf die Beine zu kommen um ein geordnetes, neues und vor allem glückliches Leben beginnen zu können. Leider steht für das Programm nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung, die Warteliste ist lang. Auf ihr stehen die Namen von Menschen wie du und ich. Die Namen junger französischer Frauen und Männer, die Hoffnungen haben und Träume. Für die es unmöglich geworden ist, länger zu Hause wohnen zu bleiben, die bedingt durch ihr Coming-Out traumatische Erfahrungen gemacht und Gewalt erlebt haben, die teilweise längst als Obdachlose auf der Straße leben. Jedes einzelne Schicksal ein Skandal.
Schnelle Hilfe? Pustekuchen!
Eben solche Schicksale gibt es auch in Deutschland, der Schweiz und Österreich zuhauf. Doch zum Beispiel in Deutschland lässt das Hilfsangebot sehr zu wünschen übrig. Wenn ich nur einmal zur Demonstration „homosexuelle Jugendliche verstoßen Hilfe“ google, dann führt mich das unter anderem zu einem Artikel von Spiegel-Online, zum Familienhandbuch und sogar zu einem Bericht über die Situation malaiischer Homosexueller. Großartig! Genau das, was man als Jugendliche in einer Grenzsituation wie dem Ausschluss von zu Hause NICHT braucht. Für viele ist das Internet und allen voran Google doch der erste Anlaufpunkt, wenn Probleme auftauchen! Dementsprechend schnell sollte man eigentlich Lösungen für sein Problem finden. Dementsprechend sollte ich NICHT geschlagene zehn Minuten brauchen, um endlich auf eine Linkliste mit Hilfsangeboten zu stoßen. Jackpot. Hilfestellen in Berlin, Hamburg, Köln, München und sogar in Braunschweig. Nicht hilfreich für Jugendliche in Schwierigkeiten, die wie ich aus einem kleinen Provinzkaff am Arsch der Welt stammen. Hilfsprojekte in Großstädten schön und gut, aber was ist mit den ländlichen Gegenden?
Deutschland, hilf!
Worauf ich hinaus will: Deutschland, hilf! Und zwar nicht nur auf so oberflächliche Art und Weise, wie du es jetzt tust! Vier Prozent deiner lesbischschwulen Jugendlichen stecken aufgrund ihrer Sexualität in Schwierigkeiten! Mindestens 48.000 Mädchen und Jungen werden von ihrem Zuhause verstossen und sehen sich einem Scherbenhaufen gegenüber, der einmal ihre Familie, ihr Leben war! Überregionale Hilfsangebote müssen her, Prävention und nachhaltige Hilfe sind gefragt! Warum nicht ein deutsches Pendant zum französischen „Le Refuge“ ins Leben rufen? Warum Stangen an Geld in sinnlose Flughafenprojekte stecken, wenn es doch im Menschen und in der Menschlichkeit viel besser angelegt wäre? „Es sind nur 48.000“, wirst du vielleicht versuchen, mir die Luft aus den Segeln zu nehmen. Ich werde sagen: „Es sind 48.000 zu viel!“ Denn wenn auch nur ein LGBT-Jugendlicher in einem Land wie Deutschland wegen seiner Sexualität leiden muss, dann ist das noch immer einer zu viel.
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Nun komme ich zum letzten Teil meines Coming Outs. Im ersten Teil und im zweiten Teil bin ich auf mein inneres und äusseres Outing eingegangen. Nun versuche ich mich als Mensch und als Lesbe zu reflektieren in einer vermeintlich heteronormativen Welt. Denn die anfängliche Erleichterung nach meinem Outing wich bald dem Gefühl der totalen Orientierungslosigkeit. Mir wurde klar, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, wo ich stehe und wo mein Platz in dieser Gesellschaft ist.
Welt vs. Ich
In dieser Welt ist alles darauf ausgelegt, dass Frauen Männer lieben und umgekehrt. Jede Werbung, jeder Film, jedes Lebenskonzept, das irgendwo vermarktet wird, dreht sich um dieses vermeintlich perfekte Glück zwischen Mann und Frau. So viel Anklang das auch bei den meisten Menschen finden mag, mir sagt es nicht zu. Aber auch wenn ich ganz genau weiss, dass ich das nicht will, lockt es mich, wie der süsse Duft eines Kuchens, von dem ich nie kosten werde. Es ist nicht so, dass ich so leben möchte oder könnte, mit Mann und Kind und weiss der Teufel was. Es ist nur so, dass es einfacher wäre. Denn obwohl ich meine Liebe zu Frauen, als das normalste der Welt empfinde, führt mir die Gesellschaft tagtäglich vor Augen, dass es eben nicht so ist. Und so gibt es unendlich viele Szenen in meinem Leben in denen ich spürte, dass ich nicht in diese auf Heterosexuelle massgeschneiderte Welt passe. An guten Tagen denke ich, es ist gar nicht erstrebenswert da rein zu passen, aber an schlechten Tagen fühlt es sich an, als würde ich mich 100 Sachen gegen eine Wand rasen.
Lesbe – who cares?
Seit meinem Coming Out nehme ich mich selbst als Lesbe wahr. Auch meine Freunde und Familie tun das, aber abgesehen von ihnen wohl niemand. Alle anderen gehen automatisch von meiner Heterosexualität aus. Und das nervt gehörig. So zwingt es mich immer wieder mich entweder zu rechtfertigen oder dazu mich selbst zu verleugnen. Die Krönung war als mich in Berlin ein Türsteher vor einer Gay-Party ernsthaft fragte, ob ich wisse, was da für eine Party im Gange ist und ob ich wirklich da rein möchte. Es scheint, als habe die Gesellschaft immer noch klare Vorstellungen von Lesben und als sei dieses kommune Bild der Kampflesbe ziemlich festgefahren. Mit meinem Outing konnte ich zumindest bei einigen Menschen das Bild von Lesben verändern und sie wiederum verändern das Bild ihrer Freunde. Aber es fehlt die Präsenz von Lesben im alltäglichen Leben, die zeigt, dass wir keine frustrierten Mannsweiber sind, die keinen Mann abbekommen.
Dazu stehen
Ich habe mich entschlossen öffentlich zu meiner Homosexualität zu stehen. Zum Teil traf ich diese Entscheidung ganz bewusst, weil ich denke, dass es sehr wichtig ist, um Vorurteile abzubauen und um aus dem Schattendasein zu treten. Der Entschluss war aber auch ein logischer Schritt auf meinem Weg. Niemand kann mir weiss machen, dass frau wirklich glücklich werden kann, wenn sie ständig einen Teil von sich verstecken muss. Frauen, die nicht zu ihrer Homosexualität und folglich auch nicht zu mir stehen , kann ich einerseits verstehen, weil es für mich auch lange unvorstellbar war. Aber andererseits ist es auch frustrierend und verletzend zu gleich. Zermürbend daran finde ich vor allem das Gefühl, um etwas betrogen worden zu sein. Ich möchte die volle Dröhnung Liebe und nicht einen an Bedingungen geknüpften Hauch von Liebe. Klar frau muss ihre Liebe auf keinen Fall zur Schau stellen, aber sie zu verstecken hat so einen bitteren Beigeschmack des Unmoralischen. Und wo soll das hinführen? Ein Leben im Verborgenen kann von niemanden das Ziel sein. Gerade in der Schweiz haben wir zum Glück die Wahl, um uns gegen ein solches Leben zu entscheiden im Gegensatz zu vielen Homosexuellen in anderen Ländern.
Manchmal frage ich mich, was ich machen würde, wenn ich jetzt die Wahl hätte zwischen meinem Leben als Lesbe oder nochmals neu zu beginnen als Hetero. Klar habe ich Schwierigkeiten und Sorgen, die ich als Heterosexuelle nicht hätte, aber das gilt auch umgekehrt. Ausserdem führen so was-wäre-wenn Gedanken zu nichts und bringen niemanden weiter. Ich lebe jetzt, ich lebe lesbisch und ich lebe gut. Heute weiss ich es ist in Ordnung, so zu empfinden und Millionen von Menschen tun es mir gleich. Es ist Liebe und nur wenn wir lieben können sind wir wirklich frei.
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