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Weltfrauentag ’13 – Olympe de Gouges, Simone de Beauvoir, Alice Schwarzer und wir

Jahrelang zelebrieren wir ihn jetzt schon, ganz gleich, ob es etwas zu feiern gibt oder nicht. Die Rede ist vom Weltfrauentag (der). Die Bedeutung ist eigentlich immer die selbe und trotzdem verändert sie sich von Generation zu Generation.

Ein Großteil der Europäer und Europäerinnen empfindet den Kampf um Gleichstellung altmodisch. Frauen dürfen doch schließlich Hosen tragen, sich scheiden lassen und sogar als Yahoo!-Chefinnen für Furore sorgen. Ich aber sage euch: Der Kampf um Gleichstellung ist nach wie vor aktuell er hat lediglich seine Form verändert.

Das Jahr 1957 war ohne jeden Zweifel eines der wichtigsten Jahre für die Frauenbewegung in Deutschland. Das bürgerliche Gesetzbuch und die Verfassung haben die Gleichstellung aufgenommen. Die Gleichwert der Frau war auf einmal offiziell.

#Aufschrei!
Derart revolutionäre Sprünge sind in Deutschland oder der Schweiz nicht mehr möglich und vielleicht auch nicht mehr nötig und doch: Im Bus werde ich vor allen anderen Fahrgästen von einem älteren Herren neben mir am Oberschenkel befummelt und selbst als ich ihn lauthals darauf aufmerksam mache reagiert das Umfeld nur mit fragenden Blicken; und doch: Mein Mitbewohner baut sich immer noch vor mir auf und deklariert mich als „Fotze“, die ihm gar nichts zu sagen habe; und doch: 98% der Führungsposten in Redaktionen sind bis heute den Männern vorbehalten und die zwei restlichen Prozent sind wohl von Alice Schwarzer (Emma) und Manuela Kay (L-mag) besetzt.

Kellnerinnen und Herdquote
Eine Statistik der Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung zeigt: Obwohl es in Europa kein Land gibt, in dem die Erwerbstätigenquote der Frauen (68 Prozent) so hoch ist wie in Deutschland, gibt es gleichzeitig kein Land, in dem Frauen in Führungsetagen (30 Prozent) so wenig vertreten sind, so viele Frauen in Teilzeit arbeiten (45 Prozent) und damit die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen (22 Prozent) so groß ist.

Deutschland ist das Land der schlecht bezahlten Kellnerinnen, Sekretärinnen und Verkäuferinnen. Einzig und allein der öffentliche Dienst lässt einen kleinen Funken Hoffnung auf gleichen Lohn und Chancengleichheit übrig. In allen anderen Branchen ist von Gleichberechtigung kaum eine Spur.

Einen wichtigen Schritt in Sachen Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt werden wir in Deutschland wohl bald gehen: Das Recht auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder in Kitas soll im Sommer umgesetzt werden. Genauso wie das Betreuungsgeld übrigens, das weite Empörung auslöst, allerdings nicht mehr kinderlosen Liberalen, sondern bei Frauen. Denn das Konzept klingt wie eine „Herdprämie 2.0“, die Frauen wieder zurück in Haus und Küche schickt anstatt eine angemessene Hilfe für Mütter zu sein, die Unterstützung benötigen um die Balance zwischen „Ich kümmere mich selbst um mein Kind“ und „Karriere ist mir trotzdem wichtig“ zu erreichen.

Quelle: dpa

Selbstdiskriminierung durch klassische Normen
All unser Fordern bringt allerdings nichts, solange wir uns selbst kleiner machen, als wir sind oder sein könnten. Frauen, die sich in der RTL-Show „Der Bachelor“ um einen Mann reißen und sich dafür entkleiden oder bei „Beauty & the Nerd“ bewusst als Dummchen präsentieren, sind vielleicht selber Schuld. Kleidung, Stimme, Auftritt und Präsenz machen uns letztendlich zu dem was wir sein wollen: Weiblich und sexy oder tough. Ich aber sage euch: Zwischen Angela Merkel und Daniela Katzenberger gibt es noch Platz für anderes. Wer mir Kompetenz überzeugt, kann auch im Kleid ein Unternehmen leiten und wer sich und seinen Körper zu schätzen weiß, kann auch als Ingenieurin verdammt weiblich sein.

Frau sein ist so einfach
Aber Hand aufs Herz, wer von uns hat seine Weiblichkeit noch nie ausgenutzt?
Ich lasse mir gerne Drinks ausgeben, weil ich sexy bin. Ich lasse gerne meinen Umzug machen, weil ich schwach bin und ich trage meine Haare bei Verhandlungen und Meetings bewusst offen, um hübsch zu sein und zu begeistern. Darf ich mich also überhaupt beschweren?

Quelle: ZDF Mediathek

Solange altbackene Politiker wie Rainer Brüderle sich in Interviews unpassend zu prallen Dekolletés von Journalistinnen äußern und Kardinal Meisner die satirische Bewerbung von Carolin Kebekus ums Papstamt ablehnt, weil die Komikerin nicht Figur dazu habe, beschwere ich mich auf jeden Fall weiter und gelobe für meinen Part Besserung. Den Umzug lasse ich nächstes Mal sowieso lieber meine Freundin machen.

Für heute heißt es erstmal feiern und morgen wird dann weiter gekämpft.

Was meint ihr Chics? Sind Weltfrauentag und Feminismus noch aktuell oder stellen wir uns einfach nur an?



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