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Den Mund voll ungesagter Dinge – Buchrezension

Eine Buchrezension über das Coming Out Teil I

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„Den Mund voll ungesagter Dinge“

 

Über das Coming-out 
In den letzten Jahren ist die Popularität des Coming Outs deutlich gestiegen. Outing hier, Outing da. Ganz egal in welchem Land, Genre oder sonstigem. Immer mehr Menschen trauen sich zu ihren Gefühlen zu stehen und sich auch offen dazu zu bekennen. Ein Coming Out lässt sich nicht untereinander vergleichen. Unterschiedliche Konstellationen, Hintergründe und andere Gegebenheiten lassen ein jedes Coming Out einzigartig und vor allem sehr persönlich werden. So eigen es auch ist, gibt es auch eine allgemeine Definition. Diese gibt dem ganzen einen Rahmen. Die Grenzen, meiner Meinung nach,  jedoch sehr fließend.

Coming-out bzw. Coming-out (von Englisch coming out of the closet, wörtlich: „aus der Kammer herauskommen“, sinngemäß: „absichtliches, bewusstes Öffentlichmachen“ bezeichnet zumeist den individuellen Prozess, sich seiner eigenen gleichgeschlechtlichen Empfindungen oder seiner von gesellschaftlich festgelegter Identität oder Geschlechterrolle abweichenden Empfindungen bewusst zu werden und zu akzeptieren – und dies anschließend dem näheren familiären und sozialen Umfeld mitzuteilen.

 
Eine Definition für Millionen verschiedene Wege zu einem „Out sein in allen Kreisen“. Jeder, der diesen Weg bereits gegangen ist, weiß, dass es nicht immer alles rosig ist. Dass es Hindernisse und Hemmnisse gibt. Aber so sollte jeder auch wissen, dass man a) nicht alleine ist  und b) es auch immer Tipps & Hilfen gibt. „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“  heißt es so schön. Und so wahr. Noch dazu sagte Brian Tracy folgendes:

Nichts, was sich wirklich lohnt, ist einfach.

Autorin Anne Freytag

                                                                                                              – Brian Tracy

Coming Out. Damit beschäftigt sich auch der Roman aus der Feder Anne Freytags.

 

Den Mund voll ungesagter Dinge – Anne Freytags zweiter Roman Anne Freytag, eine Autorin die ihre eigenen Werke als Lebensgeschichten bezeichnet. Die sich mit ihrem Roman „Mein bester letzter Sommer“ bereits in viele Leserherzen geschrieben hat, hat es auch mit ihrem zweiten Roman geschafft. Auf 400 Seiten schreibt die 35-jährige einfühlsam und sehr gefühlvoll über den Weg der jugendlichen Sophie, raus aus Hamburg und hinein in eine völlig neue Welt. In eine Welt, in der plötzlich Alex auftaucht und Sophie mal ziemlich kräftig den Kopf verdreht. Die Autorin, deren erster Roman auch bereits für den Jugendliteraturpreis nominiert wurde lässt tiefe Einblicke in den Weg zu einander und hin zum Coming Out zu.

Den Mund voll ungesagter Dinge von Anne Freytag
Den Mund voll ungesagter Dinge von Anne Freytag

Handlung
Sophie, die zuvor mit ihrem Vater in Hamburg lebte, zieht mit ihm Widerwillen nach München zu dessen neuer Freundin. Samt Familie, Hund und allem was dazu gehört. Zu Beginn will Sophie sich so gar nicht wohlfühlen in ihrer neuen Heimat. Blöde kleine Brüder, blöde Wohngegend, und und und. Doch plötzlich trifft sie auf Alex. Das Nachbarsmädchen. Und es könnte klischeehafter nicht sein: Alex ist in einer Hetero Beziehung. Über den einen oder anderen Umweg wird es immer deutlicher und sie erkennen, dass da etwas Besonderes in der Luft zwischen den beiden liegt. Der Leser erlebt eine wundervolle Geschichte, die nicht ohne Hindernisse bleibt. Jedes Hindernis lohnt umgangen zu werden und es lohnt sich, die Geschichte der beiden zu verfolgen.

 
Stilistisch?
Freytag schreibt in ihrem liebevollen Buch sehr ausführlich und mit viel Gefühl. Über Liebe, Familie, Alltag. Ihr gelingt es, mit einem frischen, frechen, einfühlsamen witzigen Erzählstil dem Leser (oder der besser gesagt der Leserin) mit in die Geschichte zu nehmen. Die Tage in Sophies Leben, jenen Alltag und ihre Familie beschreibt Freytag mit einer gewissen Finesse für Details. Diese Eigenschaft tut ihrem Roman ausgesprochen gut. Meiner Meinung nach gelingt es ihr, dem Leser eine kleine eigene Welt zu erschaffen, in der die Protagonistin und ihre Flamme eine wunderbare Hauptrolle einnehmen. Man möchte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Einfach weiterlesen und so viel wie möglich über die beiden erfahren. Bildliche Sprache findet sich im gelesenen Roman immer wieder. Diese Eigenschaft gepaart mit dem zuvor Angesprochenen macht das Lesen angenehm. Anne Freytag nimmt kein Blatt vor den Mund und erzählt unverkrampft.
Fazit?

Am liebsten wäre mir, es gäbe eine Fortsetzung.
Diese Aussage beschreibt mein Fazit für diesen Roman aus der Feder Anna Freytags. Denn mit ihrer Art und auch mit der angesprochenen „Detailverliebtheit“ ist ihr meiner Meinung nach ein großer Coup gelungen. Auch wenn Phasenweise die Protagonistin in ihrem Gefühlschaos versinkt, versinkt die Leserin nur in der Geschichte. Mit ihrem Wortgezauber gelingt es der Künstlerin, die Leserschaft aufzuwühlen, mitzunehmen, zum Denken an zu regen und das eine oder andere Zitat auf den eigenen Merkzettel schreiben zu wollen. Sie findet Worte für Dinge, in denen es manchmal schwerfallen kann, Dinge in Worte zu fassen.

„Ich habe den Mund voll ungesagter Dinge. Und ganz gleich, wie oft ich sie runterschlucke, sie kommen jedes Mal zurück. Manchmal wünschte ich, sie würden endlich überlaufen. Aber dann lasse ich es doch nicht zu.“  (S. 254)

Klapptext
Klapptext

Meinerseits eine ganz klare Empfehlung für alle, die mal wieder was erfrischendes, mit lesbischem Content, gefühlvolles und anregendes Lesen wollen. Welches Buch hat euch die Augen geöffnet, wie schön es sein kann, Frauen zu lieben. Erzähe uns deine Geschichte!



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